„Die Täter werden immer jünger“

■ Hessische Kriminalstatistik vorgestellt/ Fremdenfeindliche Straftaten haben um über 150 Prozent zugenommen/ Frankfurt bleibt Spitzenreiter der Statistik

Wiesbaden (taz) – Die Straftaten gegen AusländerInnen sind auch in Hessen im Vergleich zum Vorjahr drastisch angestiegen – aber auch die Straftaten von AusländerInnen. Dieses Fazit aus der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 1992 zog gestern im Landtag der Staatssekretär im hessischen Innenministerium, Christoph Kulenkampff (SPD).

Bei den „fremdenfeindlichen Straftaten“ (PKS) verzeichneten die Statistiker des Landeskriminalamtes eine Zunahme von 153,1 Prozent auf 539 Fälle. Zwei Drittel dieser Straftaten seien nach den Ereignissen von Rostock begangen worden, sagte Kulenkampff. Und die Täter werden immer jünger: Von den 222 in Hessen ermittelten Tatverdächtigen sei jeder Dritte unter 17 Jahre alt gewesen (35,6 Prozent). Noch 1991 lag der Anteil der unter 17jährigen Gewalttäter „lediglich“ bei 23,1 Prozent. Der Anteil organisierter Rechtsradikaler und Skinheads am Delinquentenspektrum „fremdenfeindliche Straftaten“ betrage 30,6 Prozent. Für die Praktiker aus dem LKA ein Beleg dafür, daß ausländerfeindliche Straftaten in aller Regel „nicht zentral gesteuerte Aktionen“ seien, sondern „spontane Aktionen von Personen, die zuvor nicht als rechtsextremistische Straftäter bekannt geworden sind“.

Besorgt äußerte sich Kulenkampff auch über den weiteren Anstieg des Anteils nichtdeutscher Tatverdächtiger. Der Anteil der AusländerInnen an allen Tatverdächtigen betrug 1992 exakt 37,9 Prozent (plus 12,7 Prozent) – bei einem hessenweiten Ausländeranteil von 11,4 Prozent. Da zu den Straftaten, die AusländerInnen angelastet worden seien, auch Verstöße gegen das Ausländer- oder Asylverfahrensgesetz und Paßdelikte zählten, müsse die Anzahl der ausländischen Tatverdächtigen „bereinigt“ werden. Abzüglich der Personen, die gegen ausländerspezifische Gesetze und Verordnungen verstoßen hätten, liege der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen bei 26,4 Prozent.

Nachdrücklich wies Kulenkampff darauf hin, daß eine direkte Vergleichbarkeit der Kriminalität Deutscher und Nichtdeutscher „nicht gegeben“ sei – „wegen der völlig unterschiedlichen Bewertungsgrundlagen“. Selbst LKA-Chef Klaus Jürgen Timm räumte auf der Pressekonferenz ein, daß das „Verdachtschöpfungsverhalten“ sowohl bei BürgerInnen als auch bei PolizeibeamtInnen different sei. Timm: „Ein Kaufhausdedektiv wird einen erkennbaren Ausländer eher ins Visier nehmen, als einen Deutschen.“ AusländerInnen würden schlicht öfter erwischt.

Nichts zu deuteln, so Kulenkampff, gebe es dagegen an dem überdurchschnittlich hohen Ausländeranteil im Bereich von Handel und Schmuggel mit Betäubungsmitteln, bei räuberischer Erpressung und bei schwerer Körperverletzung – „alles im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität“ (Timm). Doch auch hier, so Kulenkampff, belasteten etwa Drogenkuriere aus Südamerika die Kriminalstatistik in Sachen AusländerInnenanteil unverhältnismäßig hoch.

Frankfurt/Main habe im vergangenen Jahr seinen „Spitzenplatz in Sachen Kriminalität“ wohl verteidigen können, hieß es. Bei Delikten wie Raub und Straßenraub habe der Trend „umgekehrt“ werden können: Die Raubstraftaten allgemein sanken um 9,5 Prozent, der Straßenraub sogar um 11,7 Prozent.

Mehr Diebe im Südwesten

Stuttgart (AP) – In Baden-Württemberg ist die Zahl der registrierten Straftaten im vergangenen Jahr um zwölf Prozent auf 586.425 Fälle gestiegen. Innenminister Frieder Birzele sagte bei der Vorlage der Polizeilichen Kriminalstatistik 1992, diese Zunahme gehe zum größten Teil auf das Konto der Diebstahlsdelikte. Allein deren Zahl sei um 19,1 Prozent in die Höhe geschnellt. In der Statistik sind die Staatsschutz-, Steuer- und Verkehrsdelikte nicht erfaßt.

Der Zuwachs der polizeilich registrierten Kriminalität im Südwesten wurde von Birzele fast ausschließlich auf „importierte Kriminalität“ aus Ost- und Südosteuropa zurückgeführt. So betrage der Anteil ausländischer Tatverdächtiger im Diebstahlsbereich 42 Prozent, von denen wiederum mehr als die Hälfte aus dem früheren Jugoslawien, aus Rumänien und aus Polen stammten. Insgesamt sei der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger von 32,8 auf 37,6 Prozent gestiegen. Der Anteil der Asylbewerber an der Gesamtzahl der Verdächtigen liege bei 11,8 Prozent (1991: 7,6 Prozent), wobei es sich bei etwa einem Drittel der Delikte um Verstöße gegen das Ausländer- und Asylverfahrensgesetz handle.

Birzele zeigte sich besorgt über die deutlich zunehmende Kriminalitätsbelastung von Jugendlichen. Bezogen auf einen Anteil von jeweils 100.000 an der Zahl der Tatverdächtigen sei sie bei Jugendlichen um rund zehn, bei Heranwachsenden um 11,5 Prozentpunkte gestiegen. Er diagnostizierte gesellschaftliche Defizite: „Sozial verträgliche Verhaltensweisen werden in unserer modernen Leistungsgesellschaft offenkundig zu wenig eingeübt.“