Wandel in den Köpfen

■ Franz Reindl, Sportdirektor des Deutschen Eishockeybundes, zum Stand der WM-Vorbereitung

Am 18.April startet die deutsche Eishockeynationalmannschaft in Dortmund gegen Norwegen das Unternehmen „WM im eigenen Land“. Fast 100 Spieler haben Bundestrainer Ludek Bukac und sein Assistent, der DEB-Sportdirektor Franz Reindl, im Hinblick auf dieses Ereignis mittlerweile getestet. Übrigbleiben werden 23 Cracks, mit denen womöglich der größte Erfolg seit jener fast reliquienhaft verehrten Bronzemedaille von Innsbruck 1976 realisiert werden soll, die Reindl damals mitgewinnen half.

taz: Im November haben Sie beim Deutschland-Cup mit dem Sichten von neuen Spielern begonnen, in Sankt Petersburg beim Iswestija- Cup waren praktisch nur junge Leute, den Nissan-Cup hat neulich eine gemischte Truppe aus bewährten und neuen Kräften gewonnen. Steht nun das Team für Dortmund und München?

Franz Reindl: Unser Konzept steht. Man kann noch nicht sagen, daß die Mannschaft formiert ist, aber man hat seine Beobachtungen gemacht, das eine oder andere notiert und seine Schlüsse draus gezogen.

Letzten Endes werden dann aber doch wieder die spielen, die immer spielen. War das ganze Sichten somit für die Katz?

Wir sind auf alle Fälle weiter als im November. Man kann im modernen Profisport nicht mehr mit 28 Spielern arbeiten, man braucht eine ganze Reihe mehr. Wir haben jetzt eine Breite von 40, 50 Spielern. Am liebsten wären uns noch mehr.

Wie beurteilen die Spieler dieses Rein und Raus?

Das ist Profisport. Wer das nicht akzeptieren kann, der kann auch nicht mitmachen.

Im Gegensatz zu früher, als man jeden zweitklassigen Verteidiger beknien mußte, wollen das die Spieler neuerdings tatsächlich mitmachen.

Der Wandel in den Köpfen ist da. Das Spielen in der Nationalmannschaft wird nicht mehr als Belastung empfunden. Im Gegenteil; man bekommt etwas: einen Namen, ein Renommee. Und man wird besser. Wir brauchen nur Spieler, die die Herausforderung wollen, die sich verbessern wollen. Der Maßstab ist nicht mehr die Bundesliga, der Maßstab ist internationales Niveau.

Werden Sie mal konkret. Wie steigert man sich durch das Spielen im Nationaldreß?

Ich sehe, wie die Spieler sich verbessern. Jörg Mayer [der Kölner Verteidiger, Anm.d.V.] zum Beispiel. Der war bei den Olympischen Spielen dabei, aber nicht so richtig drin im Team. Bei der WM war er auch noch nicht immer drin. Aber jetzt ist er wirklich ein stabiler Typ für uns geworden. Das ist eine Entwicklung. Der hat was davon gehabt, obwohl er nicht immer eingesetzt worden ist.

Sie planen, wie man aus dem multiplen Geteste erkennen kann, langfristig. Aber der Erfolg muß doch wie immer kurzfristig her?

Ich habe viele Trainer gesehen, die langfristige Konzepte hatten. Dreijahrespläne, Fünfjahrespläne. Super, das kann man gut lesen. Aber wenn der kurzfristige Erfolg nicht da ist, dann nützen die Konzepte nichts. Wenn wir zum Beispiel jetzt beim Nissan-Cup hohe Niederlagen einstecken müssen hätten, dann wären natürlich Zweifel am Konzept angebracht, ganz klar.

Zweifel, wie sie schon nach den Niederlagen beim Iswestija-Cup laut wurden, unter anderem vom Düsseldorfer Günter Sabetzki, dem Präsidenten der Internationalen Eishockey-Föderation (IIHF)?

Manche haben unser Handeln [das Antreten mit einem Juniorenteam, Anm.d.V.] nicht verstanden. Aber es geht darum, daß unser Umfeld es versteht, daß die Bundesligatrainer es verstehen. Die Äußerung Sabetzkis hat uns geschadet. Weil, auf den ersten Blick gesehen, jeder gesagt hat, der hat recht. Aber wir haben die Kräfte unserer Spieler dieses Jahr eben eingeteilt.

Nicht zuletzt deshalb, weil sie wissen, daß man von ihnen bei der WM endlich einen richtig großen Erfolg sehen will? Also mehr als die Viertelfinalteilnahmen von Meribel und Prag im letzten Jahr. Ludek Bukac und Sie haben aber das Wort „Halbfinale“ nicht in Ihrem Wortschatz.

Die Erklärung ist einfach: Die internationale Szene ist dermaßen zusammengedrückt, daß das zwar möglich ist; beim Play-off-Verfahren ist aber das Kriterium zunächst einmal, unter die ersten Vier der Vorrunde zu kommen. Und dann muß man schauen, wer der Gegner ist. Wenn wir nicht wissen, wer der Gegner ist, können wir nicht sagen: Halbfinale.

Nun findet aber die WM eben nicht irgendwo, sondern in Deutschland statt, die Zuschauer erwarten etwas Besonderes, die Medien sowieso. Seit neuestem haben Sie auch noch sehr gut dotierte Sponsorenverträge. Diese Leute wollen doch auch etwas für ihr Geld. Wird da der Druck nicht ziemlich groß?

Druck ist super. Das braucht man. Aber unsere Sponsorenverträge haben wir sicher nicht so gestaltet, daß das Halbfinale Pflicht wäre. Da lassen wir uns auch nicht in die Enge treiben.

Also wie nun? Ist das Wort Halbfinale tabu oder nicht?

Das ist nicht ausgemacht, aber... die Spieler können da anders denken. Ich weiß ja nicht, was die für Pläne haben, aber wir Trainer wissen, daß das Erreichen des Halbfinales unheimlich schwer ist. Wir wissen aber auch, daß wir mehr erreichen können.

Früher haben sich zum Beispiel die Spieler aus Köln und Düsseldorf oft von zwei verschiedenen Teilen des Speisesaals angegiftet, heute scheinen die Clubrivalitäten kein Problem mehr zu sein?

Wir haben neulich, zu Beginn unseres Treffens in Füssen, gesagt, wir vergessen jetzt einmal alles andere, die Bundesliga, die Clubs, ziehen die weißen Trikots an und sind dann für ein paar Tage nur die Nationalmannschaft.

Klappt das?

Das klappt. Es gibt wirklich keine Grüppchen mehr. Die Spieler wissen, daß das eine Job-Angelegenheit ist. Die sind einfach professioneller geworden.

Bei aller Harmonie gibt es hie und da aber auch Mißtöne. Der Mannheimer Peter Draisaitl zum Beispiel ist sauer, weil man ihn plötzlich nicht mehr haben will.

Es ist ganz einfach. Ein Spieler muß besser sein als die anderen, dann ist er drin. Unsere Aufgabe ist es, zu beurteilen, wer besser ist. Das geht absolut fair und korrekt zu. Unser einziges Kriterium ist die Leistung. Interview: Peter Unfried