Unbelehrbares Deutschland-betr.: "Babenhausens letzter Jude geht", taz vom 15.2.93

Betr.: „Babenhausens letzter Jude geht“, taz vom 15.2.93

[...] Leider sind Anschläge auf jüdische Gräber und lebende Personen längst schon wieder Alltag geworden, ohne daß sich der Großteil der Deutschen davon irgendwie betroffen fühlt, im Gegenteil. Niemand aus meiner Generation (1960) fühlt sich im mindesten persönlich bedrückt und betroffen von Morden des Holocaust. Der sogenannte liberale Normalbürger ist vor 1933 Antisemit gewesen und es nach 1945 geblieben. Tony Abraham Merin hat allen Grund, diesem unbelehrbaren Deutschland den Rücken zu kehren.

Man sollte sich trotz Lichterketten keinen Illusionen hingeben: die Deutschen würden mehrheitlich den Juden, den Ausländern, den Behinderten, Homosexuellen etc. den Garaus machen, wenn sie dürften. Was bislang nur heimlich geäußert wurde, tritt nun offen zu Tage. Und natürlich fehlt wieder, wie 1933, eine starke, antifaschistische Opposition. Der Tod ist ein Meister aus Deutschland geblieben. Mir graut vor diesem Wirtschaftswunder-Teutonen! Thorsten Casmir