Autonome Intoleranz-betr.: "Rechter Philosoph zusammengeschlagen", taz vom 9.2.93

Betr.: „Rechter Philosoph zusammengeschlagen“,

taz vom 9.2.93

[...] Trotz der 17 Toten des Jahres 1992, trotz der seit zwei Jahren in Wellen die Republik samt ihrer Vor- und Nachdenker erschütternden Gewalt von rechts und gerade wegen den Befürchtungen um den in 40 Jahren erstrittenen, zivilisatorisch-demokratischen Grundkonsens – tätige Gewalt gegen politisch Andersdenkende, seien sie noch so weit entfernt vom eigenen Konstruktsystem politischer Wirklichkeit, überschreitet die seit 1968 halbetablierte Grenze demokratischer Regelverletzung. Gewalt, meine lieben „autonomen“ Faustrechtkämpfer, grenzt sich und ihre Träger selbst aus.

Es mag Bereiche und Situationen geben, wo mit der ideologisch festgefügten Rechten ein Dialog zwecklos erscheint, vielleicht unmöglich ist. Doch ebenso sind die linksautonomen Rambos am anderen Ende des politischen Kontinuums jenseits debattierender Rationalität, jenseits des politisch (rechtlich sowieso) Legitimen. Oder sind sie für die Linke politisch so opportun wie der rechte Mob für Teile von CDU/CSU?

Der Verweis auf die Überempfindlichkeit nach links und die korrespondierende verminderte Sehfähigkeit nach rechts eines Rudolf Seiters sowie des Verfassungsschutzes ist ja so beruhigend und bequem; aber diese nach wie vor zutreffende Einsicht verharrt in einer ideologischen Fixierung, die nur die Konservativen ob ihrer politischen Blindheit schilt, die eigenen Scheuklappen jedoch gar nicht mehr bemerkt. [...] Harald Schmid, Hamburg

Nicht, daß es einem nun gar zu leid täte, wenn ein Vordenker des neuen Faschismus wie Alain de Benoist ein Paar aufs Maul bekommt, aber die Umstände, unter denen ihm diese Abreibung verpaßt wurde, sind ebenso typisch für autonome Intoleranz wie die Begründung der „Antifaschistischen Gruppen Berlins“: Wieder einmal, wie schon am 8.November im Lustgarten, haben sich Autonome in ungeheuerlicher Arroganz angemaßt zu entscheiden, wer wem zuhören darf. Offenbar hält man alle anderen Menschen für zu dumm, Monsieur de Benoist Paroli zu bieten und ihm nicht auf den Leim zu gehen. Da ist es dann wohl besser, falsche Meinungen gleich mit Gewalt zu unterdrücken.

Das Absurdeste ist die Begründung dafür: Mit Benoist zu diskutieren, sei „dumm“, weil er selbst daran arbeite, „späterhin nicht mehr diskutieren zu müssen, sondern nach eigenem Ermessen zu sondern und zu herrschen“. Hat denn niemand beim Verfassen dieser Begründung bemerkt, daß sie auf ihre Autoren zurückfällt? Nach dieser Logik sind die Autonomen nämlich schon einen Schritt weiter als Benoist: Sie arbeiten nicht mehr an einem Diskussionsverbot, sie praktizieren es bereits handgreiflich. Und sie sondern bereits munter nach eigenem Ermessen aus, wem wir zuhören dürfen und wem nicht.

Nun – mit wem sie selbst nicht mehr diskutieren, sollen sie gerne selbst entscheiden, aber dieses Recht beanspruche ich genauso für mich – ganz autonom und ohne schwarzgekleidete Beschützer vor falschen Gedanken! Oliver Thomas Domzalski,

Berlin