Zwei Jahre verschleppt

■ Prozeß gegen Hamburger Neonazis vor dem Amtsgericht Oldenburg / Mutmaßliche Linke zusammengeschlagen und mit CS-Gas besprüht

vor dem Amtsgericht Oldenburg/ Mutmaßliche Linke zusammengeschlagen und mit CS-Gas besprüht

Acht Hamburger Mitglieder und Sympathisanten der neofaschistischen „Freiheitlichen Arbeiterpartei Deutschlands“ (FAP) müssen sich ab Dienstag vor dem Amtsgericht Oldenburg/Holstein wegen „gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung“ verantworten. Den sieben Männern und einer Frau wird vorgeworfen, am 19. März 1988 ein Auto mit Steinen beworfen und zwei Frauen verletzt zu haben.

An jenem März-Tag plante die FAP in Heiligenhafen eine Veranstaltung. Bereits vor Beginn des Meetings kam es vor dem Lokal „Stadtschänke“ zu einer Gegendemonstration — der FAP-Propaganda-Treff mußte abgeblasen werden. Daraufhin kundschafteten einige der Neonazis die Umgebung aus und notierten offenbar die Kennzeichen einiger Fahrzeuge von mutmaßlichen Gegendemonstranten. So auch das Kennzeichen der Ostholsteinerin Nicole Schuster (Name geändert), doch die hatte mit der Demo nichts zu tun.

Trotzdem bekam sie die Folgen jener Gegendemo zu spüren: Denn schon wenige Stunden später wurde ihr Mercedes von einigen Hamburger Neonazis in Oldenburg wiedererkannt. Sie verfolgten Nicole Schuster und ihren beiden Begleiterinnen und stoppten den Benz, indem sie ihr Fahrzeug quer stellten. Die Rechtsradikalen bewarfen das Fahrzeug mit Steinen, schlugen die Seitenscheibe ein und besprühten die Fahrerin mit CS- Gas. Als Nicole versuchte, vor dem Gas zu fliehen, wurde sie von einem Rechten mit einem Knüppel geschlagen und mit Füßen getreten. Der Hauptangeklagte Detlev Brüel, Ex-FAP-Bundesschatzmeister, sprühte ihr dann abermals Gas ins Gesicht, prügelte auf sie ein und trat sie ins Gesicht. Nicole Schuster brach bewußtlos zusammen. Attest der Ärzte: Gehirnerschütterung, schwerer Schock und Oberschenkelprellungen. Eine Mitfahrerin wurde ebenfalls mit Gas besprüht und durch die Splitter der Autoscheibe leicht verletzt.

Doch danach ging alles sehr viel langsamer: Am 13. September 1990 ging der Prozeß gegen die acht Schläger, die von der Staatsanwaltschaft immer noch dem FAP-Umfeld zugerechnet werden, in die erste Runde. Dem Verteidiger von Detlev Brüel, dem bekannten Hamburger Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger, gelang es, das Verfahren platzen zu lassen. Er stellte einen Befangenheitsantrag gegen den Amtsrichter, dem stattgegeben wurde.

Seither versuchte die Oldenburger Justiz, das Verfahren im Sande verlaufen zu lassen. Trotz mehrfacher Beschwerden gelang es Herbert Kemer, dem Berliner Rechtsanwalt von Nicole Schuster, über die letzten 27 Monate nicht, das Gericht zu einer neuen Terminierung des Verfahrens zu bewegen. Statt dessen versuchten zwei Oldenburger Richter, die Lübecker Staatsanwaltschaft zur Einstellung des Verfahrens zu bewegen.

In einer im Dezember 1992 abermals gestellten Dienstaufsichtsbeschwerde monierte Kremer: „Gerade angesichts der besonderen Ereignissse in ihrem Landgerichtsbezirk (Attentate in Mölln, d. Red.) steht die Nebenklägerin dem Verhalten des Amtsgerichts Oldenburg verständnislos gegenüber. Für sie ist eine Verarbeitung des für sie einschneidenden Vorfalls nicht möglich, solange das Verfahren andauert.“ Nun wird der Prozeß am kommenden Dienstag um neun Uhr im Amtsgericht Oldenburg wieder aufgenommen. Kremer: „Für den vorbestraften Brüel geht es um Knast oder nicht.“ Peter Müller