■ Gastkommentar
: Wieder umgefallen

Die Einigung der Koalitionsfraktionsspitzen in den bildungspolitischen Dissenspunkten ist ein Kompromiß nach klassischem sozialdemokratischem Modell. Für die Genehmigung der Berufsakademie, die die SPD nicht wollte, hat sie die Schnelläuferklassen bekommen, die sie ebenfalls nicht wollte. Für die Berliner Schullandschaft ist dabei relativ unerheblich, ob davon sieben oder drei Züge ab der 5. Klasse an Gymnasien eingerichtet werden. Bildungspolitisch sind diese Klassen deswegen fatal, weil sie nicht die Vielfalt der Förderungsmöglichkeiten erhöhen, sondern einen zusätzlichen Auslesemechanismus einführen, der gegen die Intention des Berliner Schulgesetzes verstößt. Dieses sieht die sechsjährige Grundschule als gemeinsame Schule für alle Kinder – gleich welcher Herkunft, Nationalität, Kultur oder Religion, behindert oder nichtbehindert – vor. Mit den Klassen, die die schnelle Aufnahme von Wissen zum Aufnahme- und Auslesekriterium erheben, wird die ohnehin schon zu starke Orientierung auf rein fachlicher Wissensvermittlung als Bildungsziel in der Schule noch verschärft. Kreativität, die Förderung musischer, ästhetischer, körperlicher Fähigkeiten sind dagegen absolut unterentwickelte Kategorien. Schulversuche zu deren Ausweitung würden dringend gebraucht. Wer zu Recht heute eine Stärkung der Erziehungsfunktion der Schulen einfordert, wer angesichts zunehmend aggressiverer Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen Toleranz und solidarischen Umgang in der Schule mehr betont sehen möchte, darf nicht zusätzliche Konkurrenz zwischen langsamer und schneller lernenden Kindern in die 4. Klassen tragen. Die CDU hat nie einen Hehl daraus gemacht, daß sie marktwirtschaftliche Prinzipien und den Gebrauch der Ellbogen für pädagogische Maximen hält, die nicht früh genug gelernt werden können. Daß aber die SPD als frühere Verfechterin einer „menschlichen Schule“ die CDU nach Belieben gewähren läßt, verwundert zwar nicht mehr, ist ihr aber trotzdem vorzuwerfen. Sybille Volkholz, Abgeordnete von Bündnis 90/Grüne

Siehe Bericht auf Seite 32.