Rechte Lieder in linker Kaderschmiede

■ Burschenschaft „Germania“ feiert rechtsextremen Barden

Rechte Burschenschafter tummeln sich an der ehemals als „rote Kaderschmiede“ verschrienen, zu Zeiten der sozialliberalen Bildungsreform gegründeten Gesamthochschule in Kassel (GHK). Seit sieben Jahren gibt es dort die schlagende Verbindung „Germania“, die in jüngster Zeit auch Veranstaltungen zusammen mit Rechtsextremisten wie dem Barden Frank Rennicke zu organisieren pflegt. Hauptprotagonist der jungen „Germanen“ in Kassel ist kein Geringerer als der Sprecher des Konvents, des höchsten Gremiums der GHK, Chemieprofessor Klaus Harigel.

Unter der Vermeidung des Namens Burschenschaft hatte sich Harigel im Herbst 1985 mit einem Schreiben an die Erstsemester gewandt. Eine „studentische Gemeinschaft“ sollte gegründet werden mit dem Ziel einer „konstruktiven Freizeitgestaltung durch gemeinsame sportliche, kulturelle und gesellschaftliche Aktivitäten“. Die Gründung der „Germania“ lag voll im Trend. Das Ende der sozialliberalen Koalition und die „geistig-moralische Wende“ à la Helmut Kohl brachte eine Renaissance der Burschenschaften an den Hochschulen mit sich.

Seit dem Wintersemester 1990/91 werden nun in Kassel auch blutige Mensuren geschlagen. Bei den Burschenschaftsabenden im verbindungseigenen „Germanenhaus“ gaben sich nicht nur Kassels Oberbürgermeister und der GHK- Präsident die Ehre, sondern auch am 13.November letzten Jahres der rechtsextreme Barde Frank Rennicke. Rennicke tingelt seit Jahren in der rechten Szene mit wachsendem Erfolg. Seine Lieder von den „deutschen Mädels als Dirnen im Türkenbad“ oder seine Anklage „Was tatet ihr, als Millionen Ausländer kamen, sich deutsche Tochter nahmen und man Rudolf Hess quälte in der Zelle?“ rissen das „Germanen“-Publikum zu Begeisterungsstürmen hin.

Nach dem Auftritt des rechten Barden fürchteten vor allem Professor Harigel und Regierungsoberrat Frank Dietrich Rensch um den Ruf der Burschenschaft. Der stellvertretende Sprecher des Altherrenverbandes firmiert mit seinem Dienstanschluß im Kasseler Lastenausgleichsamt als Kontaktmann für die Burschenschaft. Rensch wandte sich brieflich an den ehemaligen Fechtmeister der Verbindung, Christoff Wiethoff, und verlangte die Namen der für den Abend Verantwortlichen. In seinem Antwortschreiben aus der „Reichshauptstadt“ empfahl Wiethoff der Führungsspitze der Burschenschaft, sich die „Lieder von Kamerad Rennicke“ anzuhören, bevor man über sie urteilt. Daß auch Mitglieder der neonazistischen Wiking-Jugend am Konzert teilgenommen haben, überraschte ihn nicht: „Sie hätte man nicht außen vor lassen können, da Kamerad Rennicke selbst engagiertes Mitglied in der WJ ist.“

Der Unmut der alten Herren hatte dennoch eine Konsequenz: Der Organisator des Konzerts, der Sprecher der Activitas der „Germania“, Kurt Brückman, mußte sein Amt räumen. Dieser Schritt tat aber der stramm rechten Ausrichtung der „Germania“ keinen Abbruch. Burschenschaftsabende unter dem Motto „Der amerikanische Diebstahl geistigen Eigentums nach 1945“, „Deutschtum in Chile“ oder „Impressionen einer Grenzlandfahrt nach Ostpreußen“ sprechen für sich.

Unter den Gästen an solchen Abenden befand sich neben den alten Herren auch Volker Gers, Bundesvorstandsmitglied des rechtsextremen „Rings freiheitlicher Studenten“. Gers gehörte zur Redaktion der rechtsextremen Monatspostille Junge Freiheit. Kein Wunder also, wenn dort auch folgende Anzeige erschienen ist: „Alles für Deutschland! Burschenschaft Germania Kassel sucht Kameraden und Kameradinnen zum Aufbau eines national-freiheitlichen Arbeitskreises.“ Klaus Harigel gibt vor, nicht zu wissen, wer diese Annonce verantwortet. Bekannt ist ihm aber sicher, daß die Kasseler „Germania“ alles daran setzte, Mitglied im Dachverband der „Deutschen Burschenschaften“ (DB) zu werden. Innerhalb dieser völkisch geprägten Organisation wolle man „an den burschenschaftlichen Aufgaben mitarbeiten“. 140 Burschenschaften sind in der DB zusammengeschlossen, darunter offen rechtsextreme Verbindungen wie die „Danubia“ in München oder die „Olympia“ in Wien. Mitte der 70er Jahre lehnte die DB mehrheitlich eine Distanzierung von NPD und anderen rechtsextremen Organisationen ab. C. Meyer/B. Siegler