Kriegsverbrecher sollen vor Gericht

■ UNO will Ad-hoc-Tribunal zur Verfolgung von Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien

Genf (taz) – Seit Monaten häufen sich unverbindliche Absichtserklärungen und Fensterreden über die Einrichtung eines Gerichtshofes zur Verfolgung der Kriegsverbrecher im ehemaligen Jugoslawien – jetzt scheint endlich eine erste formale Voraussetzung für ein Tribunal geschaffen zu werden. Nachdem bereits am vergangenen Freitag die ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates für die gerichtliche Untersuchung der Menschenrechtsverstöße gestimmt hatten, gab es an einem entsprechenden Beschluß des gesamten Sicherheitsrats in der Nacht zum Dienstag kaum einen Zweifel.

Ein „Kriegsverbrecherprozeß“ wird von den Opfern dieser Verbrechen beziehungsweise ihre überlebenden Angehörigen sowie von Menschenrechtsorganisationen bereits seit dem Krieg der serbisch geführten „Jugoslawischen Volksarmee“ gegen Slowenien und Kroatien im Jahre 1991 gefordert. Doch erst die seit April letzten Jahres in Bosnien-Herzegowina verübten Greueltaten und Menschenrechtsverletzungen, die in ihrer Schwere und Systematik zumindest in Europa seit 1945 nicht mehr vorgekommen sind, haben schließlich zu der Entscheidung des Sicherheitsrates geführt.

Die Ereignisse im früheren Jugoslawien haben die Diskussion über die Schaffung eines ständigen internationalen Gerichtshofes für Menschenrechtsfragen wieder angefacht. Sie war bereits nach früheren schweren Menschenrechtsverstößen (z.B. in Kambodscha unter Pol Pot) in Gang gekommen, jedoch immer wieder eingeschlafen. In den letzten Wochen setzte sich allerdings die Erkenntnis durch, daß die Einrichtung einer solchen ständigen Institution nur auf der Basis eines völkerrechtlichen Vertrages möglich ist, der wiederum langwieriger Verhandlungen bedarf. Zudem könnte vor einem derartigen Gerichtshof keine vor dessen Etablierung begangenen Verbrechen angeklagt werden. Das Ad-hoc-Tribunal hingegen soll alle seit dem 1. Juni 1991 in Ex-Jugoslawien begangenen Kriegsverbrechen verhandeln können.

Weitgehend ungeklärt ist jedoch weiterhin die Form der Durchführung der Prozesse. Dabei geht es in erster Linie um die Frage, wie die Täter vor den Gerichtshof gebracht werden können. Wie die Rechtsanwältin Helga Wullweber in einem taz-Interview erklärte, wäre es daher sinnvoll, nach Beendigung des Krieges eine Wiederaufbauhilfe an die Auslieferung der Verbrecher zu knüpfen. Da alle Kriegsparteien zudem das Rotkreuzabkommen und der Völkermordkonvention beigetreten wären, seien sie zur Auslieferung verpflichtet.

Unterdessen wurde die internationale Luftbrücke nach Sarajevo wiederaufgenommen. Nach der bosnischen Regierung erklärte auch die Stadtverwaltung den Boykott der Hilfslieferungen, den sie vor zehn Tagen zur Unterstützung der hungernden Bevölkerung in Ostbosnien begonnen hatte, für beendet. azu Tagesthema Seite 3