Fidel Castro läßt wählen

■ Erste Direktwahl zum Parlament

Berlin (taz) – Zum ersten Mal seit der Revolution finden heute in Kuba direkte Wahlen zur „Nationalversammlung der Volksmacht“ statt. Das Ergebnis freilich ist gegen Überraschungen immunisiert: Gewählt wird per Einheitsliste, und für die 589 Sitze der Nationalversammlung stehen exakt 589 Kandidaten auf den Stimmzetteln. Diese wurden von den lokalen Organen der Poder Popular und den staatlichen Massenorganisationen aufgestellt. Unter ihnen ist nicht einer, der in irgendeiner Weise als oppositionell zu bezeichnen wäre.

Bislang wurden die Abgeordneten von den regionalen Versammlungen der „Volksmacht“ gewählt. Wenn heute nun 7,5 Millionen KubanerInnen an die Urnen gebeten werden, dann erkennt dies zwar im Prinzip den Mechanismus der direkten Wahl durchs Volk als Legitimationsgrundlage der Regierenden an. Doch Staatschef Fidel Castro beteuert, daß dies kein Aufweichen der Einparteienherrschaft bedeutet: Das Vaterland, die Revolution und der Sozialismus dürften nicht aufs Spiel gesetzt werden, so der Máximo Lider.

Denn bei der heutigen Stimmabgabe bleibt den KubanerInnen, zumindest theoretisch, die Möglichkeit der Verweigerung. Auf den Stimmzetteln stehen die Namen der im jeweiligen Wahlkreis aufgestellten Kandidaten, und der/ die WählerIn kann entweder hinter jedem von ihR gewünschten Kandidaten ein Kreuz machen oder oben auf dem Wahlzettel ein einziges Kreuz als Blockstimme für alle Kandidaten der Einheitsliste. Nur wenn mindestens 50 Prozent der Wähler einem Kandidaten ihr Kreuz auf die eine oder andere Weise verweigern, gilt er als nicht gewählt. In der Praxis ist dies kaum zu erwarten, allenfalls in wenigen Ausnahmefällen. Bei der Generalprobe, den Gemeinderatswahlen im Dezember, waren offiziellen Angaben zufolge 15 Prozent der Stimmen ungültig gewesen. Die Behörden hatten zwei Monate gebraucht, um diese Zahl zu veröffentlichen. Bert Hoffmann

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