Nahost: Christophers undankbare Mittlerrolle

■ Meinungsumfragen in Israel und den besetzten Gebieten ergaben, daß palästinensische und israelische Politiker derzeit wenig Manövrierraum haben

Tel Aviv/Berlin (taz) – US-Außenminister Warren Christopher hat bei seinen jüngsten Gesprächen mit israelischen und palästinensischen Politikern in Jerusalem die Unwägbarkeiten des Nahostkonflikts zu spüren bekommen. Die optimistischen Einschätzungen, die seine Begleiter vor der Ankunft in Jerusalem im Hinblick auf eine reibungslose Wiederaufnahme der Nahostgespräche äußerten, könnten zumindest voreilig gewesen sein. Zwei Tage pendelte Christopher zwischen Israelis und Palästinensern hin und her, doch auch gestern zeichnete sich keine Lösung des Deportiertenproblems ab, das die Wiederaufnahme der arabisch-israelischen Nahostgespräche derzeit blockiert. Die US- Politiker hatten gehofft, daß die arabischen Regierungen es den Palästinensern unmöglich machen würden, weitere Forderungen in der Deportiertenfrage zu stellen.

Schon beim ersten Treffen am Dienstag abend hatte die palästinensische Delegationssprecherin Hanan Aschrawi dem US-Außenminister erklärt, daß die Palästinenser nicht ohne ein weiteres Nachgeben der israelischen Regierung an den Washingtoner Verhandlungstisch zurückkehren werden: „Wir wollen sicher sein, daß es keine weiteren Deportationen gibt und daß die Deportationsbeschlüsse zurückgenommen werden.“ Christophers Berater teilten gestern mit, auch die arabischen Regierungen seien nicht bereit, mit Israel zu verhandeln, solange keine „die Palästinenser befriedigende Lösung des Deportiertenproblems“ gefunden worden sei.

Unter welchem öffentlichen Druck israelische und palästinensische Politiker stehen, zeigen Umfragen, die jüngst unter jüdischen Israelis und den palästinensischen Bewohnern der besetzten Gebiete durchgeführt wurden. Das Ostjerusalemer palästinensische Informationszentrum JMCC fand heraus, daß rund 84 Prozent der Palästinenser gegen eine Rückkehr ihrer Delegation in die Nahostverhandlungen sind, solange die Deportiertenfrage ungelöst ist. Eine anschließende Wiederaufnahme der Verhandlungen befürworten knapp 61 Prozent der überwiegend männlichen Befragten, während über ein Drittel auch nach einer Rückkehr der Deportierten gegen die Wiederaufnahme der Verhandlungen wäre. Rund 58 Prozent der Befragten fühlen sich derzeit durch die PLO vertreten, gut 12 Prozent hingegen durch die islamistische „Hamas“. Rund ein Viertel der Palästinenser meint, erst durch Wahlen könne über ihre Vertretung entschieden werden.

Bei einer soeben veröffentlichten Umfrage, die das „Strategische Institut“ der Uni Tel Aviv vor etwa zwei Monaten unter der jüdischen Bevölkerung Israels durchführte, zeigte sich eine große Mehrheit von 89 Prozent der Befragten zwar an der Fortführung des Friedensprozesses interessiert, aber 46 Prozent sind nicht einmal zu einem teilweisen Verzicht auf die Golan- Höhen für Frieden mit Syrien bereit, weitere 33 Prozent befürworten höchstens einen Teilrückzug. Nur 6 Prozent würden den Golan für Frieden mit Syrien zurückgeben. Für die Westbank und den Gazastreifen bevorzugen 29 Prozent der Befragten eine „Autonomie“-Lösung, 20 Prozent würden diese Gebiete im Rahmen eines Friedensvertrages teilweise an Jordanien zurückgeben. Immerhin 13 Prozent würden der dortigen Gründung eines Palästinenser- Staates zustimmen. Aber ebenso viele optierten für eine Annektion der besetzten Gebiete und die Vertreibung aller Palästinenser, weitere 13 Prozent für eine Annektion ohne „Transfer“ und 6 Prozent für eine Aufrechterhaltung des Status quo. A.W./N.C.