■ Mit Europas Devisen auf du und du
: Stunden der Wahrheit

Das europäische Währungssystem kommt und kommt nicht zur Ruhe. Noch nicht einmal drei Wochen sind vergangen, seit die Finanzminister und Notenbankpräsidenten das irische Punt um 10 Prozent abwerten mußten. Seit Anfang der Woche schwelt er wieder, der Geldbrand, der Europas Träume von einer baldigen Währungsunion in Schutt und Asche legt. Mit der Peseta, dem Escudo, den aus dem EWS ausgescherten Lira und Pfund und der Schweden-Krone glitten gleich fünf europäische Währungen auf historische Rekordtiefen ab.

Am härtesten traf es diesmal die Spanier. Bereits zweimal mußten sie die Peseta deutlich abwerten, aber den Devisenmärkten ist es anscheinend noch immer nicht genug. Die internationale Finanzkarawane hat längst entdeckt, wie schlecht es um die spanische Wirtschaft bestellt ist. 16 Prozent Arbeitslosigkeit, eine Teuerungsrate von über fünf Prozent, ein durch die sommerliche Fiesta mit Olympiade und Weltaustellung weiter vergrößertes Staatsdefizit und keinerlei Wachstumsimpulse – wer setzt da noch Vertrauen in eine Währung? Für über 1,5 Milliarden Mark spanische Staatsanleihen sollen ausländische Anleger innerhalb zweier Tage abgestoßen haben. Selbst die Stützungskäufe der spanischen Notenbank mit über 10 Milliarden konnten die Peseta nicht stabilisieren. Irgendwann geht das Geld aus; bereits die Hälfte aller spanischen Devisenreserven sind dahin – die Peseta bleibt der Abwertungskandiat Nr. 1. Noch will Ministerpräsident Felipe Gonzales dies mit allen Mitteln verhindern, doch die konservative Opposition hat bereits signalisiert, daß ihr ein solcher Schritt nicht auf den Magen schlagen werde.

Politischer Streit im eigenen Land drückt auch auf den Kurs der Lira und des Franc. Italien kann angesichts seiner Staatskrise ohnehin nur noch auf die Astrologie bauen, und in Frankreich machen die Oppositionellen der sozialistischen Regierung ihrem Präsidenten und der dem Staat unterstellten Banque de France das Leben schwer. Rechtsliberale und Neogaullisten haben schon angedeutet, daß sie nach einem Wahlsieg die Währungspolitik ändern werden. Geld ist in Frankreich, wegen der deutschen Hochzinspolitik, historisch teuer, das wiederum ist Gift für die Konjunktur. Wenn die Zinsen weiter so hoch bleiben, wird der Franc vermutlich noch vor den Wahlen stürzen. Wie auch immer - die Währungsturbulenzen hätten wahrscheinlich vermieden werden können, wäre die Mark frühzeitig aufgewertet worden. Jetzt bezahlen die anderen. Erwin Single