Berufsverbote diesmal „gegen rechts“?

■ Die Bürgerschaft hat einen CDU-Antrag zum Radikalenerlaß debattiert, die SKP arbeitet an einem Beschlußvorschlag für den Senat

taz: Herr Dopatka, Sie als Jurist mit Vergangenheit in einer linken Anwaltskanzlei wollen die Berufsverbote wiederbeleben — warum?

Friedrich-Wilhelm Dopatka: Wir brauchen eine öffnetliche Debatte um eine Politik des öffentlichen Dienstes gegen den Rechtsextremismus. Es ist naheliegend, daß Rechtsextremisten in Berufe drängen werden, die das staatliche Gewaltmonopol wahrnehmen: Polizei und Justizvollzug. Man muß überlegen, ob man da nicht Liberalität an der falschen Stelle praktiziert, wenn man geltende Regelungen aufgibt. Warum sollen staatliche Maßnahmen, die in den 70er Jahren falsch waren, auch automatisch in den 90ern falsch sein?

Hermann Kuhn: Liberalität an der richtigen oder an der falschen Stelle?? Handlungen, Taten, auch Äußerungen sind zu verfolgen, wenn sie die Unversehrtheit oder die Würde von Menschen verletzen. Aber rechtsstaatliches Verfahren heißt doch: Ohne Ansehen von persönlichen Auffassungen, von bloßen Mitgliedschaften. Das ist gerade der Fehler zu sagen: in den 70ern hätte man gegenüber den Linken liberaler sein müssen, heute darf man gegenüber den Rechten nicht so liberal sein.

Dopatka: Es ist doch ein Unterschied, ob der Staat wie in den 70ern eine Ideologie zum negativen Auswahlkriterium macht, oder ob er auf politische Gewalttätigkeit abhebt! Herr Kuhn, Sie haben in der Bürgerschaft gesagt: Das Wort 'Berufsverbot' verwenden die Franzosen in deutscher Sprache, wie 'Kindergarten'. Das bezog sich damals auf den komunistischen Postboten. Aber doch nicht auf Rechtsextremisten, die laut 'Juda verrecke' rufen, die eine Hakenkreuzfahne schwenken.

Kuhn: Ja. Aber der Radikalenerlaß erfaßt das doch gerade auch nicht! Und auch in den 70ern gab es übrigens die Marxsche Theorie der gewaltsamen Umwälzung der Verhältnisse... ich kritisiere, daß eine politische Zugehörigkeit zu nicht verbotenen Organisationen unabhängig von der konkreten Handlung verfolgt wurde — weil man an ein Verbot der Organisation aus politischer Opportunität nicht ran wollte.

Herr Dopatka, damals wurde ja linke Gesinnung über den Begriff „Sympathisanten“ gleich

mit RAF und Terror in Verbindung gebracht. Sie wollen jetzt den KBW früher nicht mit dem Rechtsextremismus heute vergleichen, der „eine dramatische Blutspur“ durch die Republik ziehe. Aber die DVU-Mitglieder schmeißen heute auch nicht sämtlich mit Molotow-Cocktails. Soll die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung für Rechtsextreme nicht gelten?

Dopatka: Eine Unschuldsvermutung muß der Ausgangspunkt sein. Aber politisch kann ich mich mit der Gleichsetzung von Linksradikalismus und Rechtsextremismus nicht zufrieden geben. Mal so gesagt: Hermann Kuhn oder der KBW haben mich 1975 nicht sehr geschreckt, der Rechtsextremismus 1993 schreckt mich. Eine Gleichsetzung zuzulassen, das ist eine Verharmlosung von Mölln und den Taten im Vorfeld.

Kuhn: Zugespitzt: Solche Formulierungen wie vom Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei auf dem Bremer Marktplatz über Asylbewerber halte ich für mindestens so schädlich, wie wenn ein Polizist, der seinen Dienst korrekt versähe, jetzt in die DVU einträte. Wir müssen ein anderes Klima der Auseinandersetzung schaffen.

Dopatka: Der politische Unterricht, die Weiterbildung sind zu verbessern. Aber: Wer seine dienstrechtlichen Grenzen nicht einhält, muß auch mit Entlassung rechnen. Also, nur auf positive Einflußnahme zu setzen, das ist nicht der richtige Weg.

Die umstrittene Bremer Regelung bezieht sich nur auf die Frage, ob der Verfassungsschutz die letzten drei Jahre vor Eintritt in den Beruf mit Zustimmung des Betroffenen anhand von gepeicherten Daten überprüfen darf.

Kuhn: Parlamentarier der nicht verbotenen DVU dürfen in der Bürgerschaft an Gesetzen mitwirken. Aber DVU-Mitglieder als einfache Staatsbedienstete - auch wenn sie sonst nichts zu Schulden kommen lassen — sind nicht geeignet, diese Gesetze umzusetzen? Das ist politische Schizophrenie, oder Opportunität. Ich finde Repression richtig, wo sie angebracht ist: in Rostock wäre sie für die Polizei angebracht gewesen. Aber: Nur, um Härte zu demonstrieren, womöglich hauptsächlich gegenüber dem Ausland — dafür auch nur eine Handbreit Liberalität

zu vergeben — sich also den Methoden derer anzunähern, die man politisch bekämpft — das ist kontraproduktiv.

Dopatka: Gesinnungspolizei und Hysterie sind sicher falsch. Mir geht es nicht um Intoleranz, auch nicht gegenüber jungen irregeleiteten Rechtsradikalen, sondern um den Zugang zum öffentlichen Dienst, also dahin, wo die Macht groß ist und Unvoreingenommenheit notwendig. Mir hänge nicht an einer Regelung, sondern an einem Problem.

Kuhn: Straftatbestände verfolgen — jederzeit. Aber nicht mit so vagen Begriffen wie „Nähe zum rechtsextremistischenen Spektrum“. Jemand wie Krause kann als CDU-Mitglied verbreiten, was er will; wenn er DVU- Mitglied wäre, würde ein Zehntel davon schon reichen, das ist politisch unhaltbar!

Aber, Hermann Kuhn, wie kriegt man das in einem Kopf zusammen, monatelang eine anspruchsvolle Veranstaltungsreihe zum Gedenken an den Aufstand im Warschauer Ghetto vorzubereiten und sich dann für die Rechte von heute rechtsradikal Organisierten einzusetzen?

Kuhn: Ich setze mich dafür ein, daß wir uns nicht anstecken lassen von einer Denkweise, die gerade auf der anderen Seite zu Hause ist: gesellschaftliche Probleme mit Abgrenzung und letztlich mit Gewalt zu lösen.

Dopatka: Wir sollten mal mit einem Innenpolitiker aus Brandenburg diskutieren. Wir können politische Probleme nicht zu einer Frage der Sozialpädagogik machen. Vielleicht machen wir ein bißchen viel Idylle; die 10% rechtsextreme Wählerstimmen sind doch ein Schlag ins Kontor!

Kuhn: Gerade diesen Wählern gegenüber ist das Anziehen der Repressions-Schraube nicht erfolgversprechend. Die DVU hat doch für die Wähler vor allem eine Ventilfunktion, für Leute, die sich sonst nicht gehört glauben. Das sind ja nicht alles Neo- Nazis. Wenn die DVU jetzt nur den Anschein verbreiten kann, verfolgt zu sein, sich gar mit Märtyrerglanz zu umgeben — da würde sie noch gewinnen. „Streitkutur“, das hört sich wenig an — aber das ist doch gewaltig viel. Daß Bremen gottseidank Schlußlicht ist bei ausländerfeindlichen Straftaten — das hat auch mit Diskussionen wie in den Beiräten zu tun, die es vielen

Friedrich-Wilhelm Dopatka: „Keine Liberalität an der falschen Stelle!“

Leuten ermöglichen, mal Dampf abzulassen, sich Gehör zu verschaffen.

Dopatka: Solange es geht, wird man Streitkultur suchen. Ich fand aber auch den Protest gegen eine DVU-Schöffin berechtigt. Aber die Ausschreitungen in der BRD sind ja weit extremer anzusiedeln als die DVU.

Kuhn: Ja, aber auf die Organisation DVU wird das Verfahren ja gerade abgestellt. Daß niemand, der in Mölln oder Rostock teilgenommen hat, in den öffentlichen Dienst kommen soll, ist ja klar. Bei Frau Blohm als Schöffin ging es ja nicht um bloße Mitgliedschaft, da wurde konkret mit ihren Äußerungen in der Bürgerschaft argumentiert, die haßerfüllt ganze Ausländergrupen zu Kriminellen stempelten.

Dopatka: Es gibt keine nennenswerten intellektuellen Ausprägungen des Rechtsextremismus, aber das war ja schon mal anders. Der Dissens bleibt: Soll man Leute in den Öffentlichen Dienst aufnehmen, denen man strafrechtlich nichts anhängen kann, denen man aber z. B. die Mitgliedschaft nachweisen kann.

Als vor eineinhalb Jahren die DVU als Fraktion in die Bürgerschaft einzog, kam erst der Schreck, und dann kamen die Politiker-Reden über politischen Dialog. Im Parlament gab es dann Sieg-Heil-Rufe der anderen Fraktionen, da wurde hysterisch rausgerannt, Sie, Herr Dopatka, haben von „Rattenfängern“ gesprochen und wurden dafür gerügt. Ist jetzt der Ruf nach dem starken Staat nicht eine Kapitulation gegenüber all diesen Vorsätzen mit Prävention und Aufklärung und Dialog?

Dopatka: Hier möchte ich ausnahmsweise über die Behörde sprechen, die ich leite. Die Verwaltungsschule und der Hochschule für öffentliche Verwaltung haben sich bundesweit einen Namen gemacht mit einer Ausländerwoche, mit Wettbewerben, mit Versuchen, auf die größte Herausforderung — das Zusammenleben mit Andersfarbigen — positiv zu reagieren.

Wo ist der politische Dialog?

Kuhn: In der Bürgerschaft machen wir ziemlich viel; außerhalb sind gerade die Grünen sehr wenig mit den Leuten konfrontiert, die glauben, sonst keine Stimme zu haben. In den Beiräten passiert viel positive Arbeit.

Es hat Debatten gegeben um

Mann mit Brille

und Schlips

Sprecherposten und Ausschußsitze, sogar um die Sitzordnung im Plenarsaal. Wenn kein Berufsverbot: was dann?

Kuhn: Die DVU will das Parlament als Tribüne benutzen, um ihre Vorurteile und Haßtiraden zu verbreiten. Da kann man ihr entgegentreten. Wir haben gezeigt, mit der Studie über das erste Parlamentsjahr der DVU, daß die DVU das Parlament mißbraucht, an Sacharbeit nicht interessiert ist. Das hat dazu beigetragen, daß diese Fraktion nicht mehr besteht.

Der DVU weht jetzt der Wind ins Gesicht — weil die Gesellschaft gezeigt hat, daß sie nicht alles mitmacht. Bei allen Differenzen in Asylfragen — daß jeder Mensch seine Würde hat und geschützt werden muß, da hat die Bevölkerung das entscheidende

Wort gesprochen.

Dopatka: Ich weiß gar nicht, wo Sie historisch Ihren Optimismus hernehmen, daß sich durch Dialogbereitschaft relevante extremistische Gefahren auflösen? Die Weimarer Republik hatte zu wenig Demokraten — und sie hat sich nicht entschieden genug gewehrt. Das kann man so nicht auf 1993 transformieren. Aber ein Körnchen Wahrheit ist doch dran.

Kuhn: So lange das so wenige sind, ist die beste Waffe, die demokratischen Rechte nicht einzuschränken. Sollten es mehr werden, liegt die Gefahr nicht am äußeren rechten Rand, sondern darin, daß die Mitte so schwach ist, wie sie mal war. Und dann ist es für Berufsverbote längst zu spät. Fragen: Susanne Paas