Käthe Be im Boxkampf

Die Video-Werkstatt mit den neuesten Berliner Produktionen am Prenzlauer Berg  ■ Von Christian Hoffmann

Die Entdeckung des diesjährigen Videofestes heißt Cathy Vogan. Indem sie in ihrem Band „Methuselah“ den 85jährigen Tänzer Ernest Berk in Dialog mit einem 4.000 Jahre alten Baum treten läßt, gelingt der Künstlerin ein überzeugender Entwurf einer Ästhetik des Alters. Ruhige Monologsequenzen weichen rauschhaften Collagen, in denen die nackte Haut des alten Mannes und die Rinde des Baumes verschmelzen. Methuselah wurde ebenso wie „Flight 101 to No Man's Land“ von Diego M. Lascano mit einem Preis im Wert von 1.500 Mark ausgezeichnet. Der Autor integriert historisches Filmmaterial in eine computeranimierte Videocollage. So kreiert er eine melancholische Auseinandersetzung mit dem Problem der Emigration aus seinem Heimatland Argentinien. 6.000 BesucherInnen und rund 500 akkreditierte Gäste aus 20 Ländern unterstreichen die Bedeutung, die das Videofest inzwischen erlangt hat.

Auch wenn sie mit der Preisvergabe Geschmack bewiesen, irritiert, daß sich die für die Programmauswahl verantwortlichen Veranstalter des Videofestes auch zu ihrer eigenen Jury machten. Ihren Hauptpreis (4.000 Mark) erhielt Theo Eshuto für sein lebendiges, prägnantes Porträt des Schauspielers Lindsay Kemp: „Travelling Lights“. Eshutu gelang es, in einzigartiger Weise elektronische Tricks als erzählerische Mittel einzusetzen.

Den größten Preis – Studioleistungen im Wert von 10.000 Mark, vergeben von der Berliner Produktionsfirma Koppfilm – erhielt der Tscheche Radek Pilar für sein experimentelles Video „Yes, No, Yes“. Sicher ist die Entscheidung zu begrüßen, einen Videoneuling aus Osteuropa zu unterstützen. Die Begründung, Pilar habe eine zukunftsweisende poetische Ästhetik entworfen, ist aber kaum nachvollziehbar. Amorphe Bild- und quälende Selbstinszenierungssequenzen lassen das Video eher als einen Anachronismus aus den siebziger Jahren erscheinen.

Wesentlich angetaner zeigte sich das Publikum bei der Preisverleihung von der im Comic-Stil realisierten Computeranimation „Gas Planet“ von Eric Darnell. Aus einer vom Pay-TV-Sender Premiere vorausgewählten Konkurrenz fünf kurzer künstlerischer Arbeiten wurde sie zum Publikumspreisträger gewählt. Mag „Gas Planet“ auch das unterhaltsamste Video des Abends gewesen sein – zu sehen sind mit Saugnäpfen statt Beinen ausgestattete Vogelwesen bei ihrer hindernisreichen Nahrungssuche auf einem fremden Planeten – hätte es, setzt man den Einsatz videospezifischer Mittel als Maßstab, keinen Preis verdient.

Die große Enttäuschung des Videofestes war der fast die Hälfte des Programms umfassende Schwerpunkt Frankreich. Zu viele Produktionen waren rein formal orientiert. Zwar zeigten sie unbestritten schöne, aber zu glatte Bilder. Statt ein Anliegen deutlich zu machen, verloren sie sich allzuoft in technischen Spielereien.

Während im Programm des Videofestes nur drei Berliner Bänder vertreten waren, bietet der Deutsche Szenografenverband der hiesigen Videoszene in den nächsten drei Wochen ein um so umfassenderes Forum. Die „Video-Werkstatt“ des aus dem ehemaligen Verband Bildender Künstler der DDR hervorgegangenen Vereins umfaßt ein Symposium, Videovorführungen und eine Ausstellung.

Das Symposium beginnt am Samstag um 14 Uhr mit einer Diskussion über die Ausbildungssituation im Videobereich, die von Studierenden und Dozenten der Hochschule der Künste, der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam-Babelsberg und der Kunsthochschule Weißensee geführt wird. Damit ist die unübersichtliche Ausbildungsszene noch keineswegs komplett vertreten. Eine Einladung hätten auch die Theaterwissenschaftler der Humboldt- und Freien Universität sowie die private bildo-akademie verdient.

Ab 17 Uhr sind mehrere Videokünstler, unter anderem Axel Möckel und Antal Lux zum Gespräch über das Thema „Video und Bildende Kunst“ geladen. Am Sonntag sitzen mit dem Gründer des Vereins „Video Kunst und Multi Media“ Ahmet Dogan und dem Medienredakteur der zitty, Til Radevagen, ab 14 Uhr zwei ausgewiesene Kenner der Videoszene auf dem Podium. Anschließend stellt Gisela Jo Eckhardt die älteste mit Video befaßte Berliner Institution, das Videoforum des Neuen Berliner Kunstvereins vor.

Ab dem 2. März stellen dann allabendlich (Di-Sa ab 19 Uhr) insgesamt 16 Berliner VideokünstlerInnen sich und ihr Werk zur Diskussion. Mit dabei sind die ersten Ostberliner Videoschaffenden um den ehemaligen Fernseh-Szenografen Günther Petzold (19.3.), die als einzige bereits vor der Wende Zugriff auf moderne Videotechnik hatten. Ebenso vertreten sind die meisten prominenten Westberliner VideokünstlerInnen wie Maria Vedder (3.3.), Egon Bunne (6.3.), Hanno Baethe (9.3.) und Monika Funke-Stern (13.3.).

Der Performancekünstler und Fotograf Kain Karawahn wartet am 4.3. mit einer Berlin-Premiere auf. Übergoß er für „This was an emergency / Notfall“ eine Kamera mit einer brennenden Flüssigkeit und ließ wenig später eine andere von einer Dampfwalze überrollen, dokumentiert in seinem neuesten Werk „dokumentales verpuffen“ eine auf einer Stahlfeder montierte Kamera ihr von „Mediastar“ Käthe Be in einem ungleichen Boxkampf herbeigeführtes Ende.

Die Ausstellung im Rahmen der „Video-Werkstatt“ mit Installationen von Antal Lux, Günther Petzold und Wolfgang Przibilla wird heute abend um 20 Uhr eröffnet. Wie alle folgenden Veranstaltungen findet sie in der Galerie PA 31, Prenzlauer Allee 31, statt.