UNHCR für Bosnien-Luftbrücke

Mitarbeiter vor Ort raten von der Operation ab/ Der Sicherheitsrat vermeidet weiter die formelle Zustimmung — und damit auch die Übernahme von Mitverantwortung  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Die Einzelheiten des Abwurfs von Hilfsgütern über Ostbosnien sowie der Beginn der Aktion sind noch unklar. Fest steht aber schon, daß das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) die Aktion offiziell unterstützt. Und das, obwohl sich sowohl UNHCR-MitarbeiterInnen als auch Unprofor- Militärs in Bosnien gegen Luftabwurf-Operationen ausgesprochen haben. UNHCR-Sprecherin Christiane Berthiaume gab gestern in Genf bekannt, die UNO-Behörde habe sich der „Einschätzung der US-Militärs angeschlossen, daß derartige Aktionen Sinn machten und durchführbar seien“. Auch der Präsident des UNO-Sicherheitsrats, Ahmed Snoussi, gab eine Erklärung zur Unterstüzung der Luftoperation ab. Eine formelle Entscheidung, mit der die Mitglieder des UNO-Gremiums die Mitverantwortung für die Aktion übernähmen, wurde jedoch auch in der Nacht zu Freitag nicht getroffen.

US-Präsident Bill Clinton will die Hilfsgüter unterschiedslos über muslimisch, kroatisch und serbisch besiedelten Gebieten Ostbosniens abwerfen. Zuvor sollen rund 600.000 Aufklärungsflugblätter in serbokroatischer Sprache abgeworfen werden. Nach Bekanntwerden dieses Plans erklärte auch der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić seine Zustimmung, auch wenn er die Operation „weiterhin für fehl am Platze“ halte.

Die Transportmaschinen des Typs C-130 sollen in Frankfurt in Gruppen von drei bis fünf Flugzeugen starten und die Hilfsgüter an Fallschirmen aus 3.000 bis 4.000 Meter Höhe abwerfen. Kampfflugzeuge sollen nicht mitfliegen. Laut Clinton werde die Operation „in Zusammenarbeit mit der UNO und dem UNHCR stattfinden“. Die Genfer UNHCR-Zentrale war gestern noch nicht in der Lage, die Form dieser Zusammenarbeit zu beschreiben. Erst nachmittags begannen Gespräche dazu in der US-Botschaft. Nach bisherigen Plänen soll UNHCR-Personal in Bosnien-Herzegowina sicherstellen, daß abgeworfene Hilfsgüter auch die Bevölkerung erreichen. Wie aber UNHCR-MitarbeiterInnen künftig in Städte und Gebiete gelangen sollen, die sie in den letzten Wochen und Monaten wegen zumeist serbischer Straßenblockaden oder auch wegen Schnee und Eis nicht erreichen konnten, wußte Sprecherin Berthiaume nicht zu erklären. Berthiaume sagte, das UNHCR habe „Luftabwurfaktionen in den letzten Monaten immer wieder erwogen“. Die Mitarbeiter vor Ort, darunter der militärisch erfahrene UNHCR-Stabschef in Bosnien-Herzegowina, Larry Hollingworth, sowie General Phillip Morillon, hätten jedoch stets „entschieden davon abgeraten“. Zuletzt Ende letzter Woche.

Auch die Regierungen der 43 Mitgliedsstaaten des UNHCR- Exekutivausschusses, mit deren Genfer Botschaftern sich die UNHCR-Spitze wöchentlich berät, hätten sich unter Berufung auf ihre Militärs in der Vergangenheit gegen derartige Luftoperationen ausgesprochen. Nun aber habe man sich entschlossen, der neuen, gegenteiligen Einschätzung der US-Regierung zu folgen, erklärte Berthiaume. Die UNHCR-Sprecherin vermittelte den Eindruck, daß die UNO-Behörde die von Washington geplante Operation ausschließlich aus politischen Gründen unterstützt, obwohl sie sie weiterhin für falsch, gefährlich und ineffektiv hält.