Spanien: DM-Segen für Sozialisten

■ Siemens ließ sich Milliardenaufträge viel kosten

Madrid (taz) – Florencio Ornia war ein Glückspilz. Zwei Jahre lang arbeitete er am spanischen Regierungssitz. 14 Tage nachdem er diesen Posten verlassen hatte, gründete er 1989 die Gesellschaft Atacir, SA, und bald darauf zog seine Firma einen fetten Fisch an Land: Zwei Prozent des Auftragsvolumens versprach ihm die deutsche Firma Siemens für den Fall, daß Siemens den Zuschlag für den Bau der Stromversorgung des Hochgeschwindigkeitszugs Madrid–Sevilla bekomme. Nur wenige Wochen später erhielt Ornia einen Beratervertrag bei Tifsa, einer 100prozentigen Tochter des spanischen Eisenbahnunternehmens RENFE. Die Hauptaufgabe seines neuen Arbeitgebers bestand in der Kontrolle, Überwachung und Genehmigung der Stromversorgung der Eisenbahnlinie Sevilla–Madrid. Kurz nachdem Ornia seinen neuen Job bei Tifsa angetreten hatte, erhielt Siemens den Zuschlag, der sich auf knapp 80 Millionen Mark belief.

Auch für Juan Carlos Mangana war 1989 ein gutes Jahr. Von 1979 bis 1986 hatte er im Publicity-Bereich der regierenden Sozialistischen Partei (PSOE) gearbeitet. Im Jahr darauf hatte er mit einem Kompagnon und einem Kapital von umgerechnet 1.500 Mark die Firma GTP gegründet. Im Frühsommer 1988 schloß die GTP ihren ersten Vertrag ab – mit Siemens. Die GTP sollte sich dafür einsetzen, Siemens den Zuschlag für Signalsystem-Telekommunikations- und Sicherheitsarbeiten zu beschaffen, die die Eisenbahngesellschaft RENFE für die Hochgeschwindigkeitsstrecke Madrid– Sevilla ausschrieb. Mangana bestätigte, er habe von Siemens mindestens 12 Millionen Mark erhalten.

Aida Alvarez wurde mit etwas weniger abgespeist. Die ehemalige Schatzmeisterin der PSOE hatte die Firma Tecnologia Informática 2.020 gegründet, die nach Aussagen eines ehemaligen Mitarbeiters zumindest bis zum März 1989 keinerlei Geschäftsaktivitäten aufzuweisen hatte. Anfang April desselben Jahres schloß die Firma mit Siemens einen Beratervertrag bezüglich des „Verkaufs von Ausrüstungsgütern in Spanien“ ab. Insgesamt wurden Zahlungen von über 300.000 Mark nachgewiesen.

Der Abschluß der Beraterverträge erwies sich offensichtlich für alle Beteiligten als segensreich. Bei der Ausschreibung für den Hochgeschwindigkeitszug war Siemens leer ausgegangen. Durch die tätige Beihilfe der drei Firmen sowie des damaligen Botschafters Guido Brunner gelang es Siemens Ende Juli 1989, den Zuschlag für die Stromversorgung der Hochgeschwindigkeitsstrecke sowie die Telekommunikation und das Signalsystem auf dieser und anderen Strecken zu ergattern – Aufträge von über 1,5 Milliarden Mark.

Ärgerlich an der ganzen Angelegenheit ist lediglich, daß sie an die Öffentlichkeit geraten ist. Im Rahmen seiner Ermittlungen in Sachen illegaler Finanzierung der PSOE hatte der Madrider Untersuchungsrichter Marino Barbero im vergangenen November eine Durchsuchung der Madrider Siemens-Büros angeordnet, um Dokumente über die GMP Consulting und Tecnologia Informática zu finden. Dadurch wurde die ungewöhnliche Großzügigkeit des deutschen Konzerns gegenüber inaktiven Mickerfirmen bekannt, deren einziger, aber offenbar überzeugender Vorteil darin bestand, prominenten Mitgliedern der Sozialistischen Partei zu gehören.

In den betroffenen Stellen wird seither Schadensbegrenzung versucht. Die beiden Einkassierer Ornia und Mangana boten ihren Parteiaustritt an, der dankend angenommen wurde (die Dritte im Bunde, Aida Alvarez, war bereits vor Jahren ausgetreten). Alle Beteiligten bestreiten heftig, daß Teile des eingenommenen Geldes in die Parteikasse geflossen sein könnten. Im Reigen der Verteidigungsredner fehlt auch Ex-Botschafter Brunner nicht, der nach seiner Ablösung einen Beratervertrag bekam – bei Siemens Madrid. Selbstverständlich habe er es als eine seiner Aufgaben als deutscher Botschafter angesehen, so Brunner, die Ansiedlung deutscher Industrie in Spanien tatkräftig zu fördern. Antje Bauer