Der „dritte Mann“ im Kanzler-Kanal

■ Ex-Minister Jenninger diese Woche im Schalck-Ausschuß

Bonn (taz) – In die in kindisch- konspirativer Agentenmanier verfaßte Geheimkorrespondenz zwischen Franz Josef Strauß und Alexander Schalck-Golodkowski fand der Herr als „dritter Mann“ Eingang. Hinter dem filmreifen Decknamen verbarg sich Dr. Phillip Jenninger, einst als Emissär von Kanzler Kohl an den geheimen Verhandlungen um den legendären Milliardenkredit eines westdeutschen Bankenkonsortiums für die bankrotte DDR beteiligt. Den hatten Ostberlins Devisenimperator und der bayerische Ministerpräsident 1983 auf dem privaten Landsitz des Rosenheimer Metzgerbarons und Strauß-Intimus Willy März eingefädelt. Auf der Amigo-Schiene, wie man heute sagen würde.

Doch neben dem SED-Goldfinger und dem CSU-Fürsten, so geht aus seit der Wende aufgetauchten Schalck-Notizen und Stasi-Akten hervor, war das Bonner Kanzleramt tiefer in den Milliardendeal involviert, als bisher bekannt – in der Person des „dritten Mannes“. Jenninger, seit seiner braungefleckten Rede als Bundestagspräsident 1988 nur noch als Botschafter im fernen Wien tragbar, wird in dieser Woche vom Schalck-Untersuchungsausschuß des Bundestages zu den Hintergründen des Milliardenkredits vernommen.

Dabei wird neben seiner eigenen auch die undurchsichtige Rolle eines deutschen Bankiers in Zürich zur Sprache kommen: Holger Bahl. Noch im Auftrag des SPD-Kanzlers Helmut Schmidt hatte Bahl das Modell einer deutsch-deutschen Finanzgesellschaft mit Sitz in der neutralen Schweiz entworfen. Ziel des „Zürcher Modells“ war, der überschuldeten DDR mit westlichen Krediten aus der Patsche zu helfen – gegen politische Gegenleistungen, etwa beim Reisealter oder dem Mindestumtausch. Doch die DDR-Oberen wollten anstatt einer gemeinsamen Bank lieber schnellen Cash, und den auch ohne Gegenleistung.

Bald nach dem Bonner Machtwechsel 1982 kamen Schalck und Strauß außerhalb der offiziellen deutsch-deutschen Kanäle direkt ins Geschäft. Holger Bahl versuchte weiterhin mitzumischen. Mehrmals beklagte sich Schalck bei seinen Geheimvisiten in Bayern, ein gewisser Bankier Bahl trete in Ostberlin im Namen der Bundesregierung auf. Wer war dieser Bahl? Von wem war er legitimiert? Jenninger im Kanzleramt, einmal in Anwesenheit Schalcks von Strauß telefonisch zur Rede gestellt, winkte ab: Bahl habe beim Milliardengeschäft nichts zu suchen; über ihn schöpfe man lediglich Wirtschaftsinformationen aus dem Ostblock ab. Könnte passen: Mielkes Mannen in Ostberlin, so geht aus Unterlagen der Gauck- Behörde hervor, hielten Holger Bahl lange für einen Top-Informanten des Bundesnachrichtendienstes (BND), der die Finanzwelt des Ostens ausspähen sollte.

Tatsache ist, daß der kleine Banker Bahl noch lange Zeit nach dem Milliardenkredit im Kanzleramt ein und aus ging und über seine Exklusivkontakte selbst BND-Aktionen beeinflussen konnte. Als sich ein hoher Funktionär des Ostberliner Außenhandelsministeriums über Anwerbungsversuche und Beschattung durch den BND während einer Westreise bei Bahl beschwerte, versprach dieser kurzerhand, daß er weitere BND-Aktivitäten „unterbinden werde“. Tatsächlich, so erinnert sich ein ehemaliger MfS- Mann, wurde Bahls Partner alsbald von Pullach nicht länger „bearbeitet“.

Daß Bahl beim Milliardenkredit trotz penetranter Bemühungen keinen Fuß in die Türe bekommen konnte, tat seinen DDR-Geschäften wenig Abbruch. 1985 stieg die Ostberliner Firma Intrac, die zu Schalcks Untergrundkonzern „Kommerzielle Koordinierung“ (KoKo) gehörte, mit 50 Prozent in seine Zürcher Finanzgesellschaft „IK-Industriekredit“, später auch in seine Bank „Eurasco“ ein.

Beharrlich verweigert die Bundesregierung dem Schalck-Ausschuß Informationen über Jenningers und Bahls Parts im deutsch- deutschen Finanzdschungel. Über die Kontakte zwischen Jenninger und Schalck seien keine Aufzeichnungen gefertigt worden, heißt es im Hause Kohl. Das wäre mehr als unüblich. Sind die Akten, argwöhnen denn auch die Ausschuß-Sozis, etwa vernichtet worden?

Der SPD bietet die Vernehmung Jenningers Gelegenheit, wenigstens im Schalck-Ausschuß ihre Oppositionsrolle zu spielen. Und dem CDU-Ausschußvorsitzenden Friedrich Vogel, der sich seit Monaten müht, den Ausschuß einzuschläfern, die Chance, politischen Takt zu beweisen – indem er die Befragung Jenningers seinem Vize Axel Wernitz von der SPD überläßt. Denn auch Vogel war mal Staatsminister im Kanzleramt – zeitgleich mit dem „dritten Mann“. Thomas Scheuer