Bund-Länder-Dissens beim Solidarpakt

■ Waigel lehnt vorgezogene Ertragssteuererhöhung ab und schließt Verbrauchssteuererhöhung nicht aus / SPD begrüßt Ländervorschläge / Lambsdorff weiter Solidarpakt-skeptisch: Einigung in weiter Ferne

Bonn (AP/dpa) – Führende Vertreter der Bundesregierung haben sich gestern gegen die Vorschläge der Ministerpräsidenten zur Finanzierung des Solidarpaktes gewandt und insbesondere Steuererhöhungen vor 1995 abgelehnt. Finanzminister Theo Waigel bezeichnete insbesondere eine Erhöhung der Ertragssteuern als konjunkturschädlich, während er eine vorzeitige Erhöhung von Verbrauchssteuern, etwa beim Benzin, nicht definitiv ausschließen wollte. Hier sei eine Anhebung eher möglich. Nach Waigel wies auch Kanzleramtsminister Friedrich Bohl die Finanzvorschläge der Bundesländer zurück. FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff ließ kein gutes Haar an der Idee weiterer Steuererhöhungen. Auch der Bund der Steuerzahler plädierte für durchgreifende Sparmaßnahmen, statt die Bürger neuerdings „abzukassieren“. Die Bonner SPD unterstützte dagegen den Ländervorschlag ausdrücklich.

Bohl kritisierte die Forderung der Länder, ihr Anteil am Mehrwertsteueraufkommen solle von 37 auf 45 Prozent steigen. Das bedeute, die Länder wollten ihre Leistungen für den Aufbau Ost dadurch erbringen, daß der Bund ihnen dieses Geld gibt. „Das kann keine vernünftige Lösung des Finanzproblems sein“, meinte Bohl. Zweifellos hätten in den vergangenen Jahren die Länder erheblich weniger zu den Lasten der deutschen Einheit beigetragen als der Bund. Dieser habe letztes Jahr 9 Prozent seiner Ausgaben durch Kredite finanzieren müssen, die Länder nur 4,5 Prozent. „Also geht es den Ländern nicht so schlecht, wie sie tun“, sagte der CDU-Politiker.

Ganz anders die SPD-Finanzexpertin Ingrid Matthäus-Maier: Sie sieht in den Ergebnissen der Potsdamer Ministerpräsidentenkonferenz die Grundlage für einen Solidarpaktkompromiß zwischen Bundesregierung und Opposition. Der Länderbeschluß, neben Einsparungen auch Einnahmeverbesserungen vor 1995 zu erreichen, sei richtig. Die Wahrheit, daß die Haushaltslöcher und Einheitskosten ohne Steuererhöhungen nicht zu finanzieren seien, müsse endlich auf den Tisch. Als besonders wichtig bezeichnete Frau Matthäus- Meier die ablehnende Haltung der Ministerpräsidenten gegenüber den Sozialkürzungsvorschlägen der Bundesregierung.

FDP-Chef Lambsdorff wertete die Ergebnisse des Ländergipfels als Bestätigung seiner Solidarpakt- Skepsis: Die Positionen von Bundesregierung und Ländern seien seit dem Wochenende so weit auseinander, daß er sich eine Einigung auf der Bund-Länder-Klausur am 11. März kaum vorstellen könne. Die Koalition solle den Nachtragshaushalt und die begleitenden Spargesetze bereits am 10. März im Bundestag einbringen. Eine Rücksichtnahme auf den Einwand der SPD, dieses Vorgehen – einen Tag vor der Klausurtagung – entwerte die Verhandlungen, hielt Lambsdorff gestern für überflüssig.