Nürnberger Keule trifft die Lücke-Kinder hart

■ Heute eröffnetes Kinderprojekt ist durch den ABM-Stopp ohne Betreuer

Berlin. Heute wird in der Storkower Straße 5 in Prenzlauer Berg das „Inselhaus“ eröffnet. In ihm sollen vor allem sogenannte „Lücke-Kinder“ zwischen neun und 14 Jahren, die für den Hort schon zu alt und für herkömmliche Jugendklubs noch zu jung sind, sinnvoll ihre Freizeit verbringen können. Unter den Kids sind neben „Stinknormalen“, die bisher einfach nicht wußten wohin, S-Bahn-Surfer und Autoknacker, Telefonmarder und Zigarettendiebe, Gewaltbereite, die das Springmesser in der Schultasche tragen, Ausländerhasser und Ausländer, schon Alkoholabhängige und an Drogen zumindest Interessierte, Kinder mit der Angst vor ihrem Zuhause.

Diejenigen, die sich in den zurückliegenden Monaten das größte Verdienst um die Problemkinder erworben, die die Cliquen und Einzelgänger erst einmal mit einem Infomobil in den Häuserschluchten des Prenzelberges aufgestöbert und deren Vertrauen errungen, die schließlich in hartem Kampf die Räumlichkeiten in der Storkower freibekommen haben, sie werden zur Eröffnungsparty bereits 60 Stunden arbeitslos sein.

Daniela Discher ist eine von 44 Betroffenen, deren vor Jahresfrist begonnenes ABM-Projekt „Schulkinder und Stadt“ vom zuständigen Arbeitsamt VII bisher nicht über den 1. März hinaus verlängert worden ist. „Trotz der zunächst nur für ein Jahr zugesagten Finanzierung hätte es keiner pädagogischen Fähigkeiten gebraucht, um von Beginn an zu wissen, daß nur durch Kontinuität überhaupt eine Verbesserung der katastrophalen Situation für die Lücke-Kinder in den elf östlichen Bezirken erreicht werden kann.“ Daraus war durch das regieführende Fortbildungsinstitut für die pädagogische Praxis (FIPP) auch kein Geheimnis gemacht worden.

„Nach der Keule aus Nürnberg“, meint die junge Frau, sei nun wohl überhaupt keine Hoffnung mehr. Trotzdem wollen sie zunächst in Prenzlauer Berg ehrenamtlich weitermachen. „Wir können die Kinder jetzt nicht allein lassen, obwohl wir die eben eröffneten Treffs paradoxerweise wieder schließen müßten.“

Den FIPP-Leuten ist es gelungen, ein Netz von Anlaufpunkten für die Schüler quer über alle östlichen Stadtbezirke zu knüpfen. Das ist in so kurzer Zeit und mit dem Erfolg noch keinem der im Jugendbereich tätigen ABM-Teams gelungen. Immerhin 1.700 JugendarbeiterInnen gibt es in Berlin, die auf der Grundlage von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wirken. Lück-Oase Lichtenberg, Laune- Keller Hellersdorf, Trubel-Bude Mitte sind Adressen des Projektes. Daneben wurden in Schulen Kiezbüros eingerichtet, Abenteuerspielplätze und ökologische Inseln geschaffen, zieht ein Wanderzirkus durch Marzahn, werden in Hohenschönhausen von gewaltbereiten Jugendlichen Videofilme gedreht, gibt es in Pankow ein Kinderreisebüro und in Köpenick ein Kinderrestaurant.

In diesen Tagen wird fieberhaft überlegt, aus welcher Schublade das Projekt „Schulkinder und Stadt“ gerettet werden kann. Mindestens 1.000 Jugendliche sind betroffen, nimmt man nur jene, die regelmäßig zu den FIPP-Veranstaltungen kommen. Geld aus Jugendsenator Krügers 300-Millionen-Sondertopf „Jugend mit Zukunft“ könnte die nächsten Löcher bei der „Lücke-Kinder“-Betreuung stopfen und damit seinem Titel alle Ehre machen. André Gross/ADN