Polizei am Kotti: „Wir sind kontraproduktiv“

■ Brennpunkt Kottbusser Tor: Polizeipräsenz verdrängt Abhängige nur, kann aber die Probleme nicht lösen

Berlin. Die Präsenz der Polizei am Kottbusser Tor in Kreuzberg bringe keine Lösung, sondern führe nur zu einer Verlagerung der Drogenszene – Abhängige halten sich jetzt verstärkt am nahen Mariannenplatz auf. Dies gestand der Leiter der zuständigen DirektionV, Heinz Krähn, gestern auf einer Pressekonferenz ein. Der Direktionsleiter berichtete, daß durch den Einsatz eines Kontaktbereichsbeamten, zusätzlicher Fußstreifen, türkischsprechender Beamter und einer Einheit der Bereitschaftspolizei die Zahl der Süchtigen am „Kotti“ zurückgegangen sei. Anwohner und Geschäftsleute bedankten sich in Briefen – ebenso viele Beschwerden kämen nun aber von Bewohnern um den Mariannenplatz.

Ein Kontaktbereichsbeamter habe Anfang der Woche berichtet, daß nun in einem Haus in der Naunynstraße „vom Keller bis in den sechsten Stock“ angekokeltes Stanniolpapier, leere Feuerzeuge, Büchsen und Essensreste herumliegen – dazu kämen Kot, Urinlachen und Erbrochenes (taz berichtete). Den Erfolg der „grünen Präsenz“ am Kottbusser Tor bewertete Krähn als äußerst zweifelhaft: „Man könnte nach der Sinnhaftigkeit solcher polizeilicher Maßnahmen fragen.“ Unter anderem bewirke die Anwesenheit des polizeilichen „Kontaktmobils“, daß Drogenabhängige den daneben stehenden Wohnwagen der Beratungseinrichtung „Fixpunkt“ weniger besuchten. Spritzen würden wieder häufiger weggeworfen, statt daß sie in dem Sammelcontainer landeten. Dieser Effekt sei kontraproduktiv, so Krähn.

Auf der anderen Seite müsse den Abhängigen aber aufgezeigt werden, wo die „Zumutbarkeitsgrenze“ für die betroffenen Anwohner liege. Polizeipräsident Hagen Saberschinsky rief alle gesellschaftlichen Kräfte dazu auf, „ihren Part zu spielen“. Aber auch auf Nachfragen wollte der Präsident nicht präzisieren, welche Kritik er an der Arbeit etwa von Sozialarbeitern, des Bezirks oder des Senats habe. Die Polizei jedenfalls würde handeln.

Saberschinsky betonte, daß die Ordnungshüter nicht die Sucht, wohl aber „Erscheinungsformen“ wie die Beschaffungskriminalität bekämpfen könnten. Laut einer Statistik der Strafverfolger gibt es rund um den Kottbusser Platz aber kaum mehr Straftaten als im Durchschnitt von SO 36. Nur die Zahl von Raubtaten sei um etwa ein Fünftel höher – dies liege aber daran, daß sich die Konsumenten gegenseitig beklauten, sagte Krähn. In den ersten beiden Monaten dieses Jahres gab es um den „Kotti“ herum 13 Raubtaten, in SO 36 insgesamt 63 dieser Eigentumsdelikte. Dirk Wildt