Abkommen von Rostock bestätigt

■ Heim brannte, Polizei fort/ Polizeiführer vernommen

Schwerin (taz) – Ohne Einschränkung hat der Schweriner Polizeihauptkommissar Waldemar Skrocki am Freitag vor dem Rostock-Untersuchungsausschuß bestätigt, daß Polizeieinsätze während der Brandnacht von Lichtenhagen aufgrund eines angeblichen „Abkommens“ mit den Gewalttätern verzögert wurden. (siehe taz vom 1.2.93) Der Hundertschaftsführer, der sich mit seinen Kräften am Montagabend, den 24.8.92, bei Einsatzleiter Jürgen Deckert gemeldet hatte, wurde weder eingewiesen noch eingesetzt. Deckert, so Skrocki wörtlich, habe gesagt: „Wir können uns dort (am Asylheim, d.Red.) nicht sehen lassen, wir haben ein Abkommen mit denen (den Randalieren, d. Red.)“.

Skrocki rückte dennoch aus und war mit seinen Einheiten als erster auf der Rückseite der brennenden ZASt und des Vietnamesenwohnheims, wo über hundert Menschen eingeschlossen waren. Vor Skrocki hatte der Hamburger Polizeihauptkommissar Klaus Springborn dessen Angaben bestätigt. Er habe, so Springborn, in der Einsatzzentrale gegen 22.40 ein Funkgespräch der Polizei gehört, in dem gefragt wurde, ob „die Störer“ sich davon überzeugt hätten, daß die ZASt geräumt sei. Er habe aber angenommen, es handele sich um einen einseitigen Deeskalationsversuch der Polizei. Tatsächlich hatte ein Kontaktmann der Gewalttäter erklärt, daß diese die geräumte ZASt besichtigen wollten.

Für den SPD-Obmann im Ausschuß, Manfred Rißmann, ist mit den Aussagen Skrockis und Springborns erwiesen, daß es während der Brandnacht „zu einer Zeitverzögerung gekommen ist, die die Polizei zu verantworten hat“. Nach Kupfers Entlassung müßten nun auch Konsequenzen in der Polizeiführung folgen. Nächste Woche wird der Ausschuß mit seinem Zwischenbericht beginnen, der gleichwohl erst im Juni vorliegen dürfte. Deutlich wurde gestern, daß für alle Fraktionen nach dem Sturz von Innenminister Kupfer die Ausschußarbeit uninteressant geworden ist, obgleich sich besonders durch Springborns Schilderung neue Fragen stellten.

In der Brandnacht sind danach nicht nur Hunderte einsatzbereiter Polizisten zurückgehalten worden, sondern außerdem eingesetzte Kräfte mit oder ohne Befehl zurückgewichen, als die ZASt schon brannte. Übereinstimmend kritisierten Skrocki, Springborn und ein weiterer Hundertschaftführer, Heinz Dreyer, die desolate Einsatzplanung, chaotische Befehlsstrukturen, fehlenden Funkkontakt und die Isolation der Polizisten vor Ort.

Insgesamt ergab sich der Eindruck, daß ausgerechnet Skrockis Hundertschaft, die weder einen Einsatzbefehl hatte, noch entsprechend ausgerüstet war und schließlich von der Einsatzleitung sogar vor Ort „vergessen“ wurde, auf eigenen Entschluß zuerst an der brennenden ZASt ankam und verhindern konnte, daß die Gewalttäter die Vietnamesen lynchen konnten. Bettina Markmeyer