Irischer Bischof in Missionarsstellung Von Ralf Sotscheck

Bischof Eamon Casey kann einem leid tun: Kaum war Gras über seine Affaire mit seiner Kusine Annie Murphy gewachsen, da schreibt die ehemalige Geliebte ein Buch, das sie zu allem Überfluß auch noch „Verbotene Frucht“ nennen will. Gemeint ist damit zweifellos Sohn Peter, der aus der unheiligen Verbindung vor 18 Jahren hervorgegangen ist. Casey, immerhin vierthöchster Mann in der katholischen Hierarchie Irlands, konnte das kleine Geheimnis bis vor neun Monaten wahren, indem er Murphy den Mund mit großzügigen Alimenten aus dem Opferstock stopfte.

Als er im Mai 1992 nicht mehr zahlen wollte, ließ sie die Bombe platzen und präsentierte den geschockten Schäfchen in Caseys Bistum Galway das inzwischen 1,80 Meter große Geheimnis. Darüber hinaus breitete sie die Bettgeschichten in allen Einzelheiten aus und erzählte, daß der unchristliche Bischof sie wie eine Mätresse behandelt habe. Casey setzte sich mit Hilfe der irischen Fluggesellschaft Aer Lingus, die den gefallenen Geistlichen in verdunkelter Limousine auf das Rollfeld chauffieren ließ, bei Nacht und Nebel nach Mittelamerika ab.

Bei der Niederschrift der Beziehungsgeschichte wird Murphy von dem Schriftsteller Peter de Rosa unterstützt, der sich in dem Metier auskennt: Der Judas war früher katholischer Pfarrer. Dem Buch, das laut Verlagsankündigung „sehr würzig“ sein soll, ist ein reißender Absatz bereits sicher. Dafür haben ausgerechnet Caseys Kirchenkollegen gesorgt. So rief Pfarrer Dominic Johnson von der Glenstal-Abtei seine Glaubensgenossen – immerhin 95 Prozent der irischen Bevölkerung – dazu auf, das Werk zu boykottieren. Der geistliche Möchtegern-Zensor prophezeit, daß das Buch „eine sehr einseitige Bilanz der unglücklichen Angelegenheit“ ziehen werde. Am liebsten hätte Johnson vermutlich eine Fatwa verhängt, doch die ist im Katholizismus leider nicht vorgesehen. Jedenfalls sind die zensurgestählten IrInnen dank des unsittlichen Selbstzensur-Antrags hellhörig geworden und rennen in die Buchläden, um die „Verbotene Frucht“ vorzubestellen. Die englischen Sonntags-Zeitungen streiten sich bereits um die Vorabdruckrechte.

Was aber, wenn Bischof Casey seine eigene Version der Affaire zu Papier bringt? Wird Johnson dann auch wegen Einseitigkeit zum Boykott aufrufen? Casey hat zur Zeit allerdings andere Sorgen. Vor kurzem hat er sich über Belfast nach Dublin geschlichen, um seiner Familie – dazu zählt Annie Murphy freilich nicht mehr – einen Kurzbesuch abzustatten. Die ehemalige Geliebte war überrascht: „Ich habe schon lange nichts mehr von Eamon gehört“, sagte sie. Seinen Irlandtrip bezeichnete sie als „äußerst gewagt“. Schließlich hätte ihn seine enttäuschte Gemeinde christlich pfählen können. Der früher kugelrunde Bischof hatte jedoch Vorsichtsmaßnahmen getroffen: Er hat stark abgenommen und sich einen Vollbart wachsen lassen, berichtete die Verwandtschaft. Die Tarnung war perfekt: Casey entkam nach seiner Stippvisite wieder unerkannt nach Mittelamerika, wo er Spanisch lernt, um sich auf eine Missionarsstellung in Ecuador vorzubereiten. Missionarsstellung?