Am 8. März, dem Internationalen Frauentag, sangen in der DDR männliche Festredner alle Jahre wieder ein Loblied auf die „Gleichberechtigung der Frau auf allen Gebieten unseres Lebens“. Aber nicht mal bei der Stasi erfüllten Frauen ihre Arbeit „direkt am Feind“, sondern hauptsächlich in der Küche und im Sekretariat. Von Bascha Mika und Ute Scheub

Zwischen Mutti und Mata Hari

Einmal im Jahr feierten die Genossen in der ehemaligen DDR den Erfolg, den sie bei der „Entwicklung der Frauen“ errungen hatten. In offiziellen Feierstunden am 8.März, dem Internationalen Frauentag, lobten sie „die Gleichberechtigung der Frau auf allen Gebieten unseres Lebens“. Im Ministerium für Staatssicherheit (MfS) würdigte ein Festredner bei dieser Gelegenheit die Siege des Sozialismus: „Es ist nur natürlich, daß die Hoffnung auf ein Deutschland des Glücks und des Friedens besonders die Herzen und Hirne der Frauen und Mütter erfüllt.“ Die „Entwicklung und Förderung der Frau“, so der Redner weiter, sei „eine wichtige Aufgabe der sozialistischen Gesellschaft“.

Folgerichtig hatten Frauen wichtige Funktionen im wichtigsten Organ des Arbeiter- und Bauernstaates, dem MfS. „Frauen sind das Hinterland eines Tschekisten“ – mit dieser Parole wurde weiblichen hauptamtlichen Mitarbeitern die Bedeutung ihrer Aufgabe nahegebracht. Unter den rund 100.000 Beschäftigten waren etwa 15.000 weiblichen Geschlechts, das sind stolze 15 Prozent. Und von den rund 1.180 „Offizieren im besonderen Einsatz“ waren 145 Frauen. Die meisten weiblichen Festangestellten der Stasi erfüllten ihren schweren Dienst in der Küche, im Sekretariat und in den Putzkolonnen. Auch um die Gesundheit der Genossen und um die Finanzen durften sie sich sorgen.

„Die direkte Arbeit am Feind“ wurde jedoch gar nicht gerne gesehen. Dies geht aus neuem Material aus der Gauck-Behörde zur Stellung der Frau im MfS hervor, das der taz vorliegt. „Für den Einsatz im politisch-operativen Dienst (mit IM- und Vorgangsarbeit) sind weibliche Angehörige in der Regel nicht geeignet“, stellte ein Major und Leiter der Abteilung Kader und Schulung in der „Verwaltung der Staatssicherheit Großberlin“ fest. Wer fürs Hinterland gut genug ist, ist es für die Front noch lange nicht. Eine Frau könnte ja dem Feind in die Arme statt in den Arm fallen.

Frauen „zu stark durch familiäre Probleme“ belastet

Außerdem hatten die Frauen eine weitere wichtige Aufgabe zu erfüllen: die Aufzucht sozialistischen Nachwuchses. Und diese ließ sich bei den ungeregelten Arbeitszeiten in der Abteilung Feindberührung nur schwer erledigen. Der Major mußte feststellen, „daß in der Regel die weiblichen Angehörigen noch zu stark durch familiäre Probleme, insbesondere die Betreuung der Kinder usw.“, belastet seien. Waren die Frauen jedoch schon zwischen 35 und 40 Jahre alt und ihre Kinder aus dem Gröbsten heraus, dann durften sie auch in diesem hochsensiblen Bereich ihren Mann stehen und Karriere machen – bis in die mittleren Etagen.

Weibliche Hauptabteilungsleiter gab es in der gesamten Staatssicherheit indes so gut wie keine. „Auf der Ebene der Sekretärinnen betrug der Frauenanteil 100 Prozent“, berichtet eine ehemalige Hauptamtliche, „auf der Ebene der Köche bestimmt auch 85 Prozent, in der Leitungsebene allerdings nur noch null Komma irgendwas.“ Vor die Wahl gestellt, Muttis oder Mata Haris zu produzieren, entschieden sich die ums gesellschaftliche Wohl besorgten Häupter des MfS für die Muttis.

Denn die Vatiproduktion war offenbar auf technische Probleme gestoßen: So gut wie kein Mann – weder im MfS noch im Rest der Gesellschaft – war seiner beruflichen und familiären Rolle gleichermaßen gewachsen. Schon Genosse Walter Ulbricht hatte 1961 mahnen müssen, daß „gerade der Erziehung und Umerziehung der Männer große Aufmerksamkeit gewidmet werden muß“. In einer kämpferischen Schrift über die Probleme der weiblichen Genossen im MfS mußte eine Funktionärin feststellen, daß die Ehemänner der weiblichen MfS-Angehörigen „angeblich aus dienstlichen Gründen das Abholen der Kinder“ aus den Tageskrippen nicht übernahmen. Doch die Genossin wußte, wie das Problem auf äußerst konstruktive Weise gelöst werden konnte: „Nach Rücksprachen mit den Abteilungsleitern und 1. Sekretären der Genossen fanden sich aber Wege, die es ermöglichten, daß die Ehemänner diese Aufgabe einmal im Monat übernahmen.“

Bei den Informellen Mitarbeitern (IM) – so sie weiblich waren– sollten all diese Probleme vermieden werden. Frauen waren auch hier klar in der Minderheit. „Die meisten mir bekannten IM-Fälle sind männlich“, berichtet Behördenleiter Gauck. In einer internen Dienstanweisung heißt es, die ideale IM solle zwischen 20 und 40 Jahre alt sein, „fraulich, gepflegt, nicht zu auffällig“, berufstätig, alleinstehend oder geschieden, ohne Kinder, aber mit eigener Wohnung und bereit, auch intime Beziehungen aufzunehmen. Zwar mußte auch schon mal ein männlicher IM zur Aufnahme sexueller Kontakte aufgefordert werden. Aber der Gebrauchswert der Frauen war hier eindeutig höher, das hatte Genosse Erich Mielke richtig erkannt: „Männliche verdächtige Personen“ könne man am erfolgreichsten „mit den unterschiedlichsten, eben nur weiblichen IM eigenen Mitteln“ zu bestimmten Tätigkeiten veranlassen. Umgekehrt waren weibliche Angehörige leichter zu führen, weil sie Anweisungen stets folgsam ausführten. „Wesentliche Erziehungsprobleme bei weiblichen Angehörigen sind nicht vorhanden“, stellte ein Ausbilder in einem internen Papier fest. Von den wenigen Fällen weiblicher Disziplinlosigkeit, die in den Unterlagen der Gauck-Behörde aufgeführt werden, beklagte ein Funktionär der Verwaltung Groß- Berlin besonders den einer „parteilosen Putzfrau“, die „wegen Intrigantentum entlassen werden mußte“.

Den Führungsoffizieren fiel es auf diesem Hintergrund nicht schwer, verständnisvoll auf die emotionale Bedürftigkeit der weiblichen IM einzugehen. „Mit dem Detlef (ihrem Führungsoffizier, d.Red.) ging das dann mit Abstand am besten“, gab die IM Karin Lenz alias Monika Haeger zu, die jahrelang die Berliner „Frauen für den Frieden“ ausspioniert hatte. „Der war sehr locker und war genau das, was ich gebraucht habe.“ Selbst als „ihr“ Detlef sie zur weiteren Mitarbeit erpreßte, nachdem sie mit Ausstieg gedroht hatte, war sie ihm anschließend „dankbar, daß er wieder lieb mit mir war“. DDR-Staatsfeind Werner Fischer, der später als „Stasi- Auflöser“ bekannt wurde, behauptete sogar, daß die politische Motivation bei weiblichen Mitarbeitern eine geringere Rolle gespielt habe, die Frauen häufig psychisch labil gewesen wären und eher mißbraucht worden seien.

Ein unverschämter Vorwurf, schließlich hatte die SED-Kreisleitung Berlin schon 1964 die Genossen kritisiert, die annahmen, „daß mit der Einrichtung von Dienstleistungen, einem Paten für die Qualifizierung und einem Blumenstrauß am Internationalen Frauentag“ der Entwicklung der Frauen Genüge getan worden sei. Denn: „Die Genossinnen lieben auch Blumen, aber was sie brauchen, das ist Vertrauen in ihre Bereitschaft zur Mitarbeit, Achtung und Anerkennung ihrer Leistungen.“