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"Die Daten stehen für wirkliche Menschen"

■ Vor 50 Jahren verschleppten Nazis über 300 Sinti und Roma von Hamburg nach Auschwitz / Heute Gedenkveranstaltung

verschleppten die Nazis über 300 Sinti und Roma von Hamburg nach Auschwitz/Heute Gedenkveranstaltung

Gefaßt erzählt der 74jährige Walter Winter von der Zeit, als er ein junger Mann war. Doch die Vergangenheit hat nichts von ihrem Schrecken verloren. „Ich möchte,

1daß die junge Generation alles erfährt“, sagt er. Walter Winter gehörte zu den über 300 Sinti und Roma in Norddeutschland, die heute vor 50 Jahren von Hamburg

1nach Auschwitz deportiert wurden. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) lädt aus diesem Anlaß heute zu einer Gedenkveranstaltung mit Walter Winter und anderen Zeitzeugen in die evangelische Akademie ein.

Über 1600 Sinti und Roma lebten bis 1940 in Hamburg. „Zigeunerische Personen“ hießen sie im rassistischen Amtsdeutsch. Die Geschichte ihrer Verfolgung ist jahrhundertealt, im Dritten Reich jedoch erreichte sie eine neue Dimension. Die Nürnberger „Rassengesetze“ von 1935 definierten die Sinti und Roma als „artfremdes Blut“, die Heirat mit Nicht-Sinti wurde untersagt, 1938 folgten Berufsverbote für Selbständige und Beamte. Walter Winter wurde dennoch zum Kriegsdienst eingezogen. Bis 1942 war er Marinesoldat, dann entließ man ihn. Die SS-Führer Heydrich und Eichmann hatten die „Endlösung der Judenfrage“ beschlossen — und besiegelten in ihrem Rassenwahn damit gleichzeitig das Schicksal der Sinti und Roma.

Schon 1940 waren über 1000 Hamburger Roma und Sinti nach Osteuropa verschleppt worden. Am 10. März 1943 deportierten die Nazis die noch Verbliebenen direkt nach Auschwitz. „Die Gesichter an der Rampe vergesse ich nie“, sagt Walter Winter. Die Erinnerung an die Qualen des Lagerlebens ist unauslöschbar.

Von den etwa 21000 Sinti und Roma, die in Auschwitz registriert wurden, entkamen nur wenige. Knapp 2000 brachte man zum Arbeitseinsatz in andere Konzentrationslager, unter ihnen auch Walter Winter. Die übrigen wurden in Auschwitz umgebracht: Allein in der Nacht vom 3. zum 4. August '44 starben annähernd 3000 Sinti und Roma in den Gaskammern. Birkenau, Ravensbrück und Oranienburg waren weitere Stationen auf Winters Leidensweg, erst kurz vor Kriegsende konnte er fliehen.

Im Nachkriegsdeutschland ging und geht die Diskriminierung der Sinti und Roma weiter. Auch heute werden Roma und Sinti in die Kriegsgebiete im ehemaligen Jugoslawien abgeschoben, wo es mehrfach Pogrome gegen sie gegeben hat. Asylpolitiker jonglieren mit gefälschten Zahlen. „Es werden immer nur die Daten aufgelistet“, sagt Walter Winter, „aber dahinter stehen doch wirkliche Menschen.“ Uli Mendgen

Heute, 19 Uhr, Evangelische Akademie, Esplanade 16; bis Freitag zeigt die Akademie im Foyer eine Ausstellung zum Thema, täglich 9-16 Uhr, Freitag bis 12.30 Uhr

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