Milliardengrab an Saale und Elbe

Bisher geheimgehaltenes Gutachten für das Bundesverkehrsministerium belegt, daß die geplanten Staustufen völlig unwirtschaftlich sind  ■ Aus Magdeburg Ernst Dörfler

Ob Auto- oder Wasserstraße – Verkehrsminister Krause will sie neu- oder ausbauen. Auch die Saale-Staustufe hat er in den Bundesverkehrswegeplan, der im Frühjahr verabschiedet werden soll, aufgenommen. Dieses Projekt ist nicht nur der Anfang einer grandiosen Naturzerstörung der Flußlandschaften Ostdeutschlands, sondern auch eine beispiellose Verschwendung von Steuer-Milliarden.

Der Verkehr auf der Wasserstraße ist umweltfreundlich – so lehrt es die Schule. Es kann aber auch ganz anders sein, wie im Falle der Saale und Elbe. Hier sollen Flußbegradigungen stattfinden und Staustufen errichtet werden. Die zu erwartenden Schäden sind am Oberrhein, am Main und fast allen anderen westdeutschen Flüssen zu besichtigen: die Ufer und Flußauen werden zerstört, die Auenwälder siechen langsam dahin, weil sie auf den natürlichen Wechsel von Hoch- und Niedrigwasser angewiesen sind. Pflanzen- und Tierarten, die auf intakte Flußlandschaften angewiesen sind, sterben aus: Störche, Biber und ein rundes Dutzend Flußfische. Von Umweltfreundlichkeit also keine Spur.

Doch Staustufen in Saale und Elbe sind nicht nur ökologisch verheerend; sie sind auch ökonomisch äußerst fragwürdig. Das belegt ausgerechnet eine Studie, die im Auftrag des Krause-Ministeriums erstellt wurde. Die Planco Consulting GmbH aus Essen hat im März 1992 in ihrem Gutachten zur „Bewertung vordringlicher Wasserstraßenprojekte in den neuen Bundesländern“ beurteilt die Stauregulierung der Elbe-Saale-Verbindung von Magdeburg nach Halle in hohem Maße unwirtschaftlich.

Für die drei Staustufen in der Elbe von der Saalemündung bis Magdeburg errechneten die Gutachter Kosten in Höhe von 1.500 Millionen Mark. Dem steht ein Nutzen von 500 Millionen Mark gegenüber. Das Verhältnis Nutzen zu Kosten liegt damit bei 0,3.

Mit einer ehrlichen Veröffentlichung dieser Ergebnisse müßte sich jede weitere Staustufen-Diskussion erübrigen. Kein vernünftiger Mensch gibt 1,5 Milliarden Mark aus, um damit Verluste zu erwirtschaften. Nicht so aber das Bonner Verkehrsministerium. Entsprechend alten DDR-Gepflogenheiten versucht man dort geheimzuhalten, was nicht mehr geheimzuhalten ist.

Weil also Staustufen in der Elbe ein Milliardengrab darstellen, soll jetzt erst einmal an der Saale eine Staustufe bei Klein Rosenburg gebaut werden. Diese kostet voraussichtlich „nur“ rund 200 Millionen Mark. Ist diese Staustufe dann einmal gebaut, können Schiffe mit 2,50 Meter Tiefgang die Saale hoch und runter fahren. Doch wozu? Bis Magdeburg kommen die vollbeladenen Euro-Kähne nur an rund 100 Tagen im Jahr. In der übrigen Zeit fehlt den Großschiffen in der Elbe das nötige Wasser unter dem Kiel. Da es unwirtschaftlich ist, ein Euroschiff nur an 100 Tagen im Jahr auszulasten, wird der Ruf nach weiteren Staustufen in der Elbe nicht ausbleiben. Der Saale- Ausbau würde dann als „objektiver Sachzwang“ angeführt – schließlich sollen die 200 Millionen Mark ja nicht umsonst verbaut worden sein. Dann spätestens wäre die Elbe fällig. Die Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau forderte den Ausbau der Elbe zwischen Saalemündung und Magdeburg bereits im Juli 1992.

Um den Staustufen-Unsinn rechtzeitig zu stoppen, hat sich ein Aktionsbündnis gegen das gesamte Verkehrsprojekt gegründet. Menschen aus 20 Verbänden, Initiativen und kirchlichen Einrichtungen streiten gemeinsam. Morgen wollen sie als Klageweiber vor dem Landtag in Sachsen-Anhalt Krach schlagen und vom drinnen tagenden Landesparlament eine eindeutige Distanzierung vom Staustufen-Neubau an der Saale fordern. Vor allem aber wollen sie das Projekt aus dem Bundesverkehrswegeplan kippen. Immerhin: Der Umweltminister Sachsen-Anhalts, Wolfgang Rauls, hat dem Krause-Plan schon eine klare Absage erteilt. Spannend wird es, wenn der Landtag morgen über einen Antrag von Bündnis 90/ Grüne abstimmen wird, der ebenfalls die Streichung der Saale-Staustufe aus dem Bedarfsplan fordert.

Statt weitgehend nutzlose Großprojekte zu finanzieren, soll das Geld der SteuerzahlerInnen besser für regionalwirtschaftlich sinnvolle, ökologisch und sozial verträgliche Zwecke eingesetzt werden, so das Aktionsbündnis. Statt die Flüsse den Schiffen anzupassen, sollten flachgehende Schiffe entwickelt werden. In der Schiffswerft Roßlau/Elbe liegen solche Entwürfe bereits vor.