Alles ultimativ ultra

■ RTL 2, der neue Heißluftballon am kommerziellen deutschen Fernsehhimmel, läßt nähere Einzelheiten zu seinem "jugendorientierten Vollprogramm" ab

Köln (taz) – Kann sich irgendwer noch an „Salvatore“ erinnern? Jenen sonnenbebrillten Vorzeigemafioso, der RTL-Zuschauer seinerzeit so trefflich mit seinen Hütchenspielen über das Fehlen des einen oder anderen Werbespots hinwegzutrösten vermochte? Den Landesrundfunkanstalten, die schließlich Einsicht ins Unabwendbare demonstrierten, sei Dank, Salvatore ist wieder da! Diesmal, um für RTL2, seit dem 6.März (nach dem Rummel im Vorfeld) geradezu heimlich, still und leise auf Sendung, den Pausenclown zu machen. Nachdem also das erste Rätsel um RTL2 (ja, wann starten sie denn?) nun gelöst ist, gaben sich die Programm-Verantwortlichen am Dienstag in Köln redlich Mühe, auch das zweite Geheimnis mit schier überbordender Jubellaune zu lüften: Ja, was senden sie denn?

Die Meldungen in Kürze. Was als „jugendorientiertes Vollprogramm“ (Eigenwerbung) antritt, um der Werbewirtschaft endlich auch das fernsehmufflige Jungvolk zuzuführen, verstrahlt täglich satte acht Stunden buntes Allerlei für die lieben Kleinen. Vorwiegend US-Comic- und Spielserien bis zum Abwinken. Wobei man unter anderem doch wahrhaftig mit „Lassie“, „Tammy“ und „Daktari“ die Kinderchen vom Gameboy wegzulocken hofft. Papi und Mami wird's freuen. Daneben – für die ganze Familie – Spielfilme und Serien aller Couleur. Zwar verweist RTL2 dabei stolz auf 30 Prozent an deutschen Erstaufführungen, doch hierbei handelt es sich offensichtlich vorwiegend um Streifen der B- und C-Kategorie aus Paketeinkäufen, während die angepriesenen „Highlights“ (unter anderem „Dirty Dancing“ und „Apocalypse Now“) bereits längst auf anderen Kanälen abgenudelt worden sind.

Daneben: die Reanimation der Tele5-Game-Show „Ruck Zuck“, ein Magazinchen über Werbung, ein „ultimatives Jugendmagazin“ (Eigenwerbung) mit MTV- Sternchen Kristiane Backer, sowie jene alberne Hau-drauf-Gymnastik namens US-Wrestling. Und da man doch, bitteschön, ein Vollprogramm sein möchte, hat's auch Nachrichten. „Action-News“ genannt. Dreimal täglich als fünfminütiger, reiner Bildsalat aus aller Welt, einmal sogar mit echten Moderatorinnen, die eine geschlagene Viertelstunde lang Dagmar Berghoff das Fürchten lehren sollen. Mit diesem ultrakurzweiligen Programm-Mix aus neckischen Schrillitäten und Opas Fernsehen hoffen die RTL2-Gesellschafter, schon 1997 in die schwarzen Zahlen zu segeln. Spätestens dann, wenn alle Werbeinseln ausgebucht sind, ist auch der fingerfertige Salvatore seinen Job wieder los.

Aber vielleicht haben die Programmverantwortlichen ja auch ein Einsehen und lassen ihn die hauseigene Talk-Show moderieren. Name: „Action-Talk“. Was sonst? Ob sich dahinter eine handfeste Keilerei in Sesseln oder lupenreiner Habermas verbirgt (das endlose Palaver als wertvollste Action), bleibt abzuwarten. Die Krone für den dämlichsten Titel ist Vox („Nachmittalk“) jedenfalls erst mal los. Reinhard Lüke