Jimmy Hoffa und Neue Heimat

■ Danny DeVitos "Jimmy Hoffa" - Eine Besprechung vom Berliner ÖTV-Vorsitzenden Kurt Lange

Wenn einer, der in der alltäglichen bundesdeutschen Gewerkschaftsarbeit steckt, die zur Zeit von einer wirtschaftlichen, sozialen und politischen Rückentwicklung geprägt ist, über einen Film schreiben soll, der von einem handelt, der in einer Zeit stürmischer Aufwärtsentwicklung unter den Bedingungen der amerikanischen Arbeiterbewegung zum Gewerkschaftsboß wurde, dann wird niemand eine feuilletonistische oder historische Betrachtung erwarten.

Was mir dabei sofort auffiel, war, daß Jack Nicholson als Jimmy Hoffa in DeVitos Film das hatte, was einE GewerkschaftsführerIn ausmacht: keinen Schiß haben vor den Größen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft und nur den eigenen Leuten verpflichtet sein.

Wenn Hoffa zum Beispiel fragt, wer Roosevelt sei, als dieser ihm vorschreiben wollte, wie sein Streik zu laufen hätte, oder wenn er Robert Kennedy auflaufen läßt, als der von ihm verlangt, sich von einigen seiner Leute – offenbar Kommunisten – zu distanzieren, das war, wie GewerkschaftsführerInnen sein müssen.

In dieses Bild gehört auch, daß Hoffa an keinem LKW-Fahrer vorbeikam, ohne zu versuchen, ihn für die Gewerkschaft zu gewinnen, oder daß er mitten im Schnee beim Reifenwechsel half, wenn einer seiner Kollegen liegengeblieben war.

Doch im Lauf des Films wurde aus Hoffas Mut, gegen „die da oben“ zu sein, Hochmut gegen alle anderen und aus seinem Wunsch, die Ohnmacht der Gewerkschaft zu beseitigen, der Wille, die eigene Macht zu stärken.

Ein Vergleich drängt sich mir auf: Hoffas Pensionskasse und der „Neue-Heimat“-Skandal. Dabei war Hoffas Vorhaben, aus zurückgelegten Gewerkschaftsbeiträgen eine Pensionskasse zu gründen und die Beiträge so zinsgünstig wie möglich anzulegen, eine gute Sache. Mindestens so gut wie die Idee, mit Gewerkschaftsgeldern preisgünstige Wohnungen für Arbeitnehmerfamilien zu bauen. Im Falle der „Neuen Heimat“ war es die Kriminalität der „weißen Kragen“, die schließlich aus der guten Idee eine schlechte Sache machte. Im Falle von Hoffas Pensionskasse war es die organisierte Kriminalität der Mafia. Sie bot zwar die bestmögliche Verzinsung, war jedoch zugleich der Anfang vom Ende Jimmy Hoffas. Bis zum Schluß wollte er nicht einsehen, daß seine Methoden nicht koscher waren.

Unter all den Männern in Jimmy Hoffas Umgebung war nur eine Frau, die ihm gegenüber „ihren Mann stand“. Unter all den Streikenden vor den Toren der bestreikten Lagerhallen war sie es, die ihm nicht auf die Schulter klopfte, die kein „weiter so“ für ihn übrig hatte, die ihm vielmehr aus dem Weg ging. Nur von ihr bekam er die passende Antwort auf seine Fragen, was sie vom Streik hielt und wie ihr Sohn hieße.

Sie war es, die klarmachte, daß für Hoffa die Meinung eines Menschen nicht zählte, daß ihm der Name ihres Sohns gleichgültig war, daß er allein entschied und entscheiden mußte. Sie zeigte durch ihr Verhalten, wie Hoffas Persönlichkeit seine eigenen Freunde zu Jasagern hatte werden lassen und ihn selbst dazu verführte, aus dieser Not eine Untugend zu machen: Kaum zum Präsidenten der Teamsters gewählt, schmiß er alle raus, die anders dachten als er. Für Hoffa war jetzt Hoffa die Gewerkschaft. Und wer gegen Hoffa war, war gegen die Gewerkschaft.

Am Ende des Films starb Hoffa durch die Kugeln eines Killers. Doch vor dem Tod stand die Vernichtung seiner Persönlichkeit durch sich selbst, seine Freunde und seine Feinde.

Als am Anfang des Films Hoffas Mut noch Menschen aufrichtete und für die Gewerkschaft begeisterte, sprach er aus, was sein Schicksal werden sollte: „Wen du in seiner Ehre verletzt, der wird dein Feind werden.“

Zuerst verletzte er seine engsten Mitarbeiter durch Mißachtung ihrer Meinung, weil er ihre Inkompetenz und Feigheit erkannte, dann den Chefankläger Robert Kennedy durch Bloßstellung seiner Unerfahrenheit, weil er dessen Eitelkeit und Karrieregeilheit nicht ertrug und schließlich sich selber, weil er glaubte, der Zweck heilige die Mittel. In DeVitos Film starb Hoffa vor seinem Tod.

Gerade wer mit der ganzen Kraft seiner Persönlichkeit unerschrocken die Rechte der kleinen Leute verteidigen und ausbauen will, braucht Widerspruch und Kritik, braucht Opposition. Und die muß von denen kommen, um deren Rechte es geht.

Wenn DeVitos Film über Hoffa zeigen wollte, daß auch Starke scheitern, wenn sie unangefochten machen können, was sie für richtig halten, und das selbst dann, wenn es immer richtig wäre, so hätte er mit seinem Film ins Schwarze getroffen. Aber da bin ich nicht sicher.