Berlin - Stadt der Einwanderer

■ Die Geschichtswerkstatt arbeitet die Epoche der "Gastarbeiter" in einer Ausstellung auf / Berlin war immer auf seine Einwanderer angewiesen

Berlin. „Viele fanden es komisch, als wir ihnen erzählten, daß wir eine Ausstellung über sie machen wollen“, sagte Michael Pfleghar von der „Geschichtswerkstatt e.V.“, als er die neue Ausstellung über „Eingewanderte ArbeiterInnen in Berlin 1961-1993“ vorstellte. Die Austellung wird heute eröffnet und ist bis zum 10. April in der Berliner Stadtbücherei in der Breiten Straße in Mitte zu sehen.

„Wir wollen keine abgehobene Forschung betreiben“, erklärte Katrin Roller ihr Konzept. Es gehe ihnen vielmehr darum, das Alltagsleben zu untersuchen. Wie haben Menschen bestimmte politische Situationen erlebt, und wie haben sie sich dabei gefühlt?

Grundlage der neuen Ausstellung, die den Titel „...da sind wir gar keine Ausländer mehr“ trägt, sind rund 30 Interviews mit ArbeitsmigrantInnen in Ost- und Westberlin. Die subjektiven Berichte der einzelnen werden immer in den Zusammenhang zur „großen Politik“ gestellt. Was veränderte sich durch den Anwerbestopp 1973 für die EinwanderInnen im Westen der Stadt? Wie wirkte sich die offiziell proklamierte „Völkerfreundschaft“ auf die VertragsarbeiterInnen in der DDR aus? Auch das Anwachsen des Rassismus seit Anfang der 80er Jahre und vor allem seit der Wiedervereinigung wird in diesem Zusammenhang dargestellt.

„Einwanderung passiert nicht auf einen Schlag. Es ist ein Prozeß, der sich über Generationen entwickelt“, erklärt Michael Pfleghar. In der Ausstellung wird dieser Prozeß dargestellt. Es wird beschrieben, wie allmählich eine neue Kulturszene in Kreuzberg und im Wedding entstanden ist.

Die MitarbeiterInnen der „Geschichtswerkstatt“ erhoffen sich auch eine politische Wirkung durch die Ausstellung. „Wir zeigen, daß Berlin schon immer eine Einwanderungsstadt war und auch immer noch ist“, sagt Michael Pfleghar. Mit der Ausstellung fordern sie die verantwortlichen Politiker auf, dies endlich zu akzeptieren. Sie sollen den AusländerInnen, die ja eigentlich gar keine mehr sind, mehr Rechte einräumen. „Doppelte Staatsbürgerschaft“ und „Bleiberecht für die VertragsarbeiterInnen in der Ex- DDR“ werden als Stichworte genannt. Gezeigt wird, daß es ein rein deutsches Berlin noch nie gegeben hat. „Berlin war schon immer auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen“, stellt der Historiker fest. Im ersten Teil der Ausstellung wird die Situation der ZwangsarbeiterInnen in der Nazi-Zeit dargestellt. 20 Jahre später wurden dann die ersten ArbeitnehmerInnen aus Südeuropa angeworben, um das deutsche Wirtschaftswunder aufzubauen.

Die Ausstellung konnte nur entstehen, da viele der eingewanderten ArbeiterInnen dabei mitgeholfen haben. „Für viele war das das erste Mal, daß sie Resümee über ihre Zeit in Berlin gezogen haben“, erzählte Michael Pfleghar. Julia Gerlach