Rollt die S-Bahn aufs Abstellgleis?

■ Theo Waigels Sparpläne: Hamburg soll sein Schnellbahnsystem künftig allein finanzieren / Senat droht mit Stillegung

Hamburgs S-Bahn droht die Stillegung. Wenn sich CSU-Bundesfinanzminister Theo Waigel bei den laufenden Verhandlungen über den sogenannten Solidarpakt durchsetzt, werden die S-Bahn-Züge nach Ansicht des Senats in nicht allzu ferner Zukunft aufs Abstellgleis fahren. Senatssprecher Franz Josef Klein: „Hamburg kann die S-Bahn allein nicht finanzieren.“ Genau das aber möchte Waigel erreichen.

Aufgrund entsprechender Beschlüsse der Europäischen Gemeinschaft hat das Staatsunternehmen Deutsche Reichsbahn/Bundesbahn aus Bonn die Order erhalten, den Regionalverkehr zur Ländersache zu machen und Vorort- und S-Bahnen in neue Regionalgesellschaften zu überführen. 20,3 Milliarden Mark haben die Länderfinanzminister dafür beim Bund als Ausgleich eingeklagt. Doch in Bonn sind die Kassen bekanntermaßen nicht besonders gut gefüllt. Theo Waigel griff zum Rotstift: 14 Milliarden Mark für die „Regionalisierung des Gemeindeverkehrs“ wurden ersatzlos gestrichen. Womit nach Ansicht des Hamburger Senats die anvisierte Übernahme der S-Bahn nicht mehr zu finanzieren ist.

Selbst wenn die Bundesbahn die 508 Waggons, 70 Bahnhöfe und 148 Streckenkilometer Schienen an die Stadt für eine Mark verscherbeln würde, unterm Strich bliebe ein dickes Minus für die Stadtkasse übrig. Denn die Betriebsausgaben der S-Bahn werden nur zu 60 Prozent aus den Fahrpreiserlösen gedeckt, die Züge fahren somit jährlich 150 Millionen Mark Verluste ein.

Und damit nicht genug: Da das Hamburger Schnellbahnsystem total veraltet ist — teilweise fahren 40 Jahre alte Züge —, würde eine Modernisierung der S-Bahn über eine Milliarde Mark kosten. Folge: Bleibt es bei Waigels Plänen, könnte sich Hamburg die anstehenden Übernahmeverhandlungen mit der Bundesbahn sparen, die S-Bahn würde stillgelegt werden. Franz Josef Klein: „Das ist zwar noch kein Senatsbeschluß, aber wohl die bittere Konsequenz.“

Eine Entscheidung, die nach Ansicht der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdED) katastrophale Folgen hätte. So würden nicht nur 1000 bis 2000 Arbeitsplätze im Regionalverkehr vernichtet, sondern täglich würde im „Ballungsraum Hamburg“ zusätzlich eine halbe Million Menschen auf die Straße verbannt.

Auf die Folgen verweist GdED- Sekretär Andreas Brändle: „Es gäbe eine enorme Mehrbelastung durch den Co2-Ausstoß.“ Ein „Kahlschlag im Regionalverkehr“ sei unverantwortlich, Bonn dürfe nicht aus der Verantwortung entlassen werden.

Daß auch Hamburg, Sparpläne hin oder her, die überalterte S-Bahn nur mit äußerst spitzen Fingern anfaßt, bewies die Bürgerschaft Ende vergangenen Jahres. Per Parlamentsbeschluß wurde eigens eine städtische Gesellschaft gegründet, nur zu dem Zweck, Kriterien für die Vergabe eines Gutachtens zu erarbeiten, das „Kosten und Nutzen einer Übernahme der Gleichstrom-S-Bahn“ für Hamburg ermittelt. Kai von Appen