Sanssouci
: Vorschlag

■ „Jedes Tier kann es“ im Theater Zerbrochene Fenster

Das, was angeblich jedes Tier kann, ist bei den Menschen Basis für Gespräche und Legenden. Die Instinkte, umrankt von beflügelnden Phantasien und kontraproduktiven Neurosen, bilden ein reiches Reservoir der Künste.

Am Beispiel von fünf Frauen unterschiedlichster Herkunft, Schicht und Altersstufe beschreibt Ruth Berlau in ihrem Stück „Jedes Tier kann es“, wie es ist, wenn das Gleichgewicht der Geschlechter aus den Fugen geraten ist. Die Bekanntschaft der Frauen ergibt sich übrigens im Leichenschauhaus. Das, was sie sich zu sagen haben, bevor sich der Sargdeckel endgültig schließt, kreist beständig um ihre Männer und fördert erstaunliche Gemeinsamkeiten zutage. Jede hat ihre Bedürfnisse zugunsten des Mannes zurückgestellt und schafft sich erst jenseits der letzten Minute ironische Distanz.

Die DISSEGRIESCOMPANY hat in ihrer gleichnamigen Theater-Film-Collage das Stück der Berlau ins Zentrum gestellt. Den fünf Schauspielerinnen (Jitka Frantova, Angela Gockel, Jai Lybel, Christiane Rheinfurth, Dagmar Sörensen) gehört dieser Abend: Gebannt lauscht man ihren Monologen, die auf bizarren Schaukeln — das Leben auspendelnd — vollzogen werden. Zu spät erkennen diese Frauen, was sie versäumt haben, geben ihre Männer nun aber der Lächerlichkeit preis. Auf der Bühne muß ein Schauspieler (Wolfgang Jörg) in alle diese Rollen schlüpfen, mit Clownshütchen auf dem Kopf, dümmlich einige Satzpassagen wiederholend. Am Rand sitzt Iris Disse, untermalt die Monologe der Frauen mit schmerzhaften Lauten. Sie ist die Berlau, deren Herzblut in jede der Frauen geflossen ist, deren eigene Biographie sich dort mühelos wiederfinden läßt. Denn auch wenn sich Ruth Berlau nach Beendigung dieses Stückes in einem scheinbar emanzipatorischen Akt von ihrem damaligen Mann, dem Wissenschaftler Robert Lund, getrennt hat, so doch nur, weil sie sich längst einem anderen ergeben hatte: Bertolt Brecht.

Deren unglückselige und doch jahrelange Beziehung bildet die Rahmenhandlung. Regisseurin Monica Prahl verknüpft Zitate von Brecht und Berlau zu einer Montage, die von einem schwarzweißen Stummfilm sinnträchtig beleuchtet wird. Daß das am Ende nicht mehr funktioniert, daß der Film überflüssig erscheint, liegt an der Wortgewalt der Sprache von Berlau und Brecht und an der Präsenz der fünf Schauspielerinnen, die jegliche Aufmerksamkeit absorbieren. Erhalten bleibt gerade deswegen die beispielhafte Geschichte einer Frau, die sich und ihre Kreativität zeit ihres Lebens selbstverleugnend in den Hintergrund stellte, und die jetzt einmal ganz vordergründig von sich reden kann. Anja Poschen

Bis 21. März, Do.–So., 20.30 Uhr im Theater Zerbrochene Fenster, Schwiebuser Straße 16