Schweinereien mit Rindviechern

Wegen Verdachts auf Subventionsbetrug in Millionenhöhe ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen Schlachtviehbaron Moksel – bis ein Brief aus Waigels Bundesfinanzministerium kam  ■ Von Thomas Scheuer

Die Bundeskasse ist leer und ihr Verwalter, der bayerische CSU- Mann Theo Waigel, dürfte sich in Zeiten, da jeder Sozialhilfepfennig zweimal umgedreht wird, eigentlich keine Gelegenheit entgehen lassen, über seine Zollfahndung ein paar Millionen einzufahren. Sollte man meinen. Vor einer Woche stellte eine bayerische Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen den Allgäuer Schlachtvieh-Grossisten Moksel wegen Subventionsbetrugs ein. Auslöser war offenbar ein Schreiben aus Theo Waigels Bonner Finanzministerium. Waren da etwa wieder Amigos am Werk? Oder schon Mafiosi?

Die Geschichte reicht zurück in die deutsch-deutschen Wiedervereinigungssümpfe. Nach der Wende sponserte Bonn massiv die Landwirtschaft des Arbeiter-und-Bauern-Staates. Da sie gültigem EG- Recht kraß zuwiderliefen, konnten die „besonderen Stützungsmaßnahmen für die DDR-Landwirtschaft“ den Ostbetrieben nur bis zum 3. Oktober 1990 gewährt werden. Auf den letzten Drücker, am 1. Oktober 1990, ging beim zuständigen Hauptzollamt in Hamburg- Jonas ein Antrag auf Ausfuhrerstattung der Ostberliner Firma Zentralcommerz über 300 Millionen Mark ein. Zentralcommerz, einst dem Devisenimperator Schalck-Golodkowski unterstellt, hatte ein riesiges Kontingent DDR-Rinder in die Sowjetunion exportiert. Die von Zentralcommerz abgerufene „außerordentliche Exportunterstützung“ von 300 Millionen D-Mark kassierte der Ostbetrieb aber nicht selbst. Die flossen auf das Konto einer westdeutschen Firma – des bayerischen Schlachtvieh-Konzerns Moksel. Die Moksel AG, die ebenso wie die Rosenheimer Gebrüder März wegen dubioser Deals mit Honeckers Goldfinger Alexander Schalck-Golodkowski bereits mehrfach in die Schlagzeilen geraten war, hatte sich nämlich mit Zentralcommerz zusammengetan – offensichtlich der Subventionen für Ostbetriebe wegen. Das Gros der in die UdSSR verkauften Rindviecher stammte denn auch aus westlichen Viehställen. Das Geschäft hätte somit gar nicht aus der Bundeskasse gesponsert werden dürfen. Der Verdacht auf Subventionsbetrug lag auf der Hand. Und so ermittelte denn auch die Staatsanwaltschaft Augsburg zunächst munter unter Aktenzeichen AZ 502 JS 20248/92 gegen Moksel wegen „ungerechtfertigten Empfangs von Stützungsmaßnahmen“.

Im Bonner Finanzministerium des bayerischen CSU-Politikers Theo Waigel sah man die Rechtslage indes anders. Am 15. Januar dieses Jahres teilte Waigels Haus den Ermittlern mit, man könne durchaus einen gemeinsamen „Pool“ aus Ost- und West-Rindern unterstellen. Bei dieser Interpretation wären die Subventionen zu Recht bezahlt worden. Das Hauptzollamt Hamburg-Jonas, das dem Finanzminister untersteht, teilte flugs mit, es stelle keine Rückforderung an Moksel. Just vor einer Woche, am 5. März 1993, wurde das Verfahren gegen Moksel wegen Subventionsbetrugs schließlich klammheimlich eingestellt. Ermittelt wird jetzt nur noch wegen Urkundenfälschung – gegen die 22jährige Sekretärin Susanne K. Sie soll die falschen Herkunftsbezeichnungen, um die die Justiz nun mal nicht herumkommt, angeblich alleine auf dem Gewissen haben.

Ähnlich dubios verläuft ein zweites Ermittlungsverfahren gegen Moksel. Auch hier geht es um Schweinereien mit Rindviechern, dieses Mal um vergleichsweise lumpige sechs Millionen D-Mark. Auf den Pfennig genau 6.055.194,89 DM Ausfuhrerstattungen forderte Moksel vom Zoll nach EG-Recht für insgesamt 157 Ausfuhren nach Polen, Libanon und Jugoslawien im Jahre 1991. Weniger genau nahm es Moksel wieder mal mit der Deklaration der Tiere: Die Viecher wurden als Zuchtvieh ausgewiesen, obwohl es sich in Wahrheit um hundsgemeines Schlachtvieh handelte. Der kleine Unterschied: für Zuchtvieh liegt der Erstattungssatz fast viermal höher. Am 30. Januar 1992 monierte der Zoll das Geschäft. Am 7. Februar leitete die Staatsanwaltschaft unter AZ 502 JS 22342/92 ein Verfahren „gegen Verantwortliche der Firma Moksel“ ein. Am 19. Februar erließ das Amtsgericht Kaufbeuren einen Durchsuchungsbefehl für die Moksel-Geschäftsräume. In den Brüsseler EG-Kulissen wurde derweil gar der Ruf nach einem Untersuchungsausschuß wegen „mißbräuchlicher Inanspruchnahme von EG-Subventionen“ laut.

Die Ermittlungen ergaben bald, so ein Vermerk der Ermittler, daß bei dem Deal, „entgegen EG-Erstattungsrecht Zuchtbescheinigungen in nicht autorisierter Form vorgelegt“ wurden. Münchner Zollfahnder ermittelten im März 1992 zwei Wochen lang bei Tierärzten und ehemaligen LPGs. Am 6. April 1992 melden sie der Staatsanwaltschaft Augsburg. Bei 61 von 62 überprüften Ausfuhren konnte „zweifelfsrei nachgewiesen werden, daß es sich um Schlachtrinder handelt.“ Von 2.754 überprüften „sogenannten Zuchtrindern“ entsprachen dieser Klassifizierung gerade mal 43 Stück!

Jetzt gibt es für Moksel nichts mehr zu deuteln. Rasch wird die Schuld anderen zugeschoben: Am 28. April 1992 teilt der Firmenanwalt mit, die Moksel AG sei „von ihren Lieferanten getäuscht worden“. Drei Wochen später ersetzt die Staatsanwaltschaft im Verfahren den Namen Moksel durch „Unbekannt“. Doch die Zollfahnder lassen nicht locker. Aus Presseberichten und veröffentlichten Stasi-Unterlagen ist schließlich genug über die mafiosen Methoden bayerischer Schlachtvieh-Barone bekannt geworden. Im Oktober 1992 meldete das Zollfahndungsamt Dresden: Nach den bisherigen Ermittlungen liege die „alleinige Verantwortung“ für die Schiebereien bei zwei Herren im Hause Moksel, dem Prokuristen S. und dem Angestellten W. Die Staatsanwaltschaft ersetzt das „Unbekannt“ prompt wieder durch einen Namen – den des Angestellten. Der Prokurist bleibt außen vor!

Die Durchstechereien der Firma Moksel im Ost-West-Geschäft haben Tradition. Auch in der Affäre um Schalck-Golodkowsi spielt Moksel eine dubiose Rolle. Zu DDR-Zeiten unterhielt Moksel bei der Ostberliner Deutschen Handelsbank ein mysteriöses Konto unter dem Decknamen „Sylvia“, von dem über die Jahre immerhin 38,3 Millionen Mark auf Konten in der Schweiz abflossen – Empfänger unbekannt. Firmenpatron Alexander Moksel gab gegenüber den Behörden an, die „Sylvia“-Knete treuhänderisch für einen Dritten gehalten zu haben. Dessen Identität will er nicht preisgeben. Am Dienstag will der Schalck-Ausschuß des Bayerischen Landtags dem Geheimnis näherkommen.