Polizei verhandelte mit Randalierern

■ Schweriner Ausschuß schließt Beweisaufnahme vorerst ab

Schwerin (AFP) – Die Einsatzleitung der Polizei bei den Rostocker Krawallen war nach Angaben dreier Zeugen bereit, mit den Randalierern ein Abkommen zu schließen. Vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß in Schwerin widersprachen sich ein Lichtenhagener Anwohner und zwei Polizisten am Freitag allerdings zu den Bedingungen des Abkommens. Alle drei erklärten aber übereinstimmend, daß es schließlich nicht zu einem „Waffenstillstand“ gekommen war.

Hans-Dieter Witt, ein Nachbar der umkämpften Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber (ZASt), berichtete, er sei in der dritten Nacht der Rostocker Krawalle im vergangenen August zusammen mit einem Jugendlichen, „der offenbar etwas Einfluß hatte“, zu einem Polizisten gegangen. Diesem habe er vorgeschlagen, den Jugendlichen die geräumte ZASt zu zeigen, um zu beweisen, daß die Asylbewerber fort seien. „Das war eine spontane Aktion“, sagte der arbeitslose Schlosser. Nach einem Funkkontakt mit der Einsatzleitung habe der Polizist ihm mitgeteilt, man sei „gesprächsbereit“. „Wenn ihr was Konkretes habt, kommt her“, habe der Polizist gesagt. Die meisten Jugendlichen seien aber zu einem Waffenstillstand nicht bereit gewesen. „Die wollten das Ding hier brennen sehen“, sagte Witt.

Der Polizist Toralf Herzog bestätigte, mit Witt gesprochen zu haben. Die Leitstelle habe ihm daraufhin aufgetragen, zu prüfen, ob man über Lautsprecher der Menge vor der ZASt mitteilen könne, daß Verhandlungen möglich seien. Dazu sei es aber nicht mehr gekommen, weil die Menge inzwischen das Asylheim und das danebenliegende Vietnamesen- Wohnheim in Brand gesteckt hatte. Der Polizei-Abschnittsleiter Olaf Bleeck sagte aus, ihm habe die Leitstelle mitgeteilt, Kontakte zwischen Polizei und den Randalierern seien möglich, die Bedingungen würde aber die Polizei festlegen. Der Vermittler habe sich dann aber nicht wieder gemeldet.

Der Ausschuß beendete am Freitag vorläufig die Beweisaufnahme. Zehn weitere Zeugen werden vorerst nicht gehört, weil noch vor der Sommerpause des Landtags ein Zwischenbericht vorgelegt werden soll.

Viele Fragen sind noch ungeklärt, manche Zeugenaussagen widersprüchlich. Fest steht: In Verwaltung und Polizeiführung herrschte vor und während der Krawalle Chaos. Innenministerium und Rostocker Senat schoben die Verantwortung für die ZASt hin und her. Politiker und Polizisten nahmen die Warnungen vor den Krawallen offenbar nicht ernst genug. Die Polizei war schlecht ausgerüstet, schlecht organisiert und schlecht geführt.

Der meiste politische Sprengstoff steckt in der Frage, ob es in der dritten und schlimmsten Krawallnacht Verhandlungen zwischen Polizei und Randalierern gegeben hat, die den Einsatzleiter vor Ort, Jürgen Deckert, bewogen, seine Kräfte vom Ort des Geschehens abzuziehen. Deckert bestreitet dies, mehrere Hundertschaftsführer aber bestätigten ein solches Abkommen.

Sobald der Zwischenbericht vorliegt, will der neue Innenminister Rudi Geil (CDU) polizeiinterne Ermittlungen zu den Krawallen einleiten. Die gibt es bislang ebensowenig, wie Ministerpräsident Berndt Seite (CDU) einen regierungsinternen Bericht angefordert hat.