Spinner im Braunhemd

■ Aufregung um Bremer Nazi-Parteigründung / Ein-Mann-Schau, diesmal ohne Sparkonto

Spinner im Braunhemd

Aufregung um Bremer Nazi-Parteigründung / Ein-Mann -Schau, diesmal ohne Sparkonto

Heidi E. traute ihren Augen kaum, als sie gestern den Briefkasten leerte. Zwei merkwürdige Flugblätter purzelten ihr da entgegen, mit den unbedruckten Seiten gegeneinandergeheftet: Unter der Überschrift „Informationen für Bürgerinnen und Bürger“ wird auf der einen Seite maschinengetippt die Gründung der National-Sozialistischen Partei NSPD bekanntgegeben, am 11. Februar 1993 in Bremen. Und auf der Rückseite prangt das eiserne Kreuz, daneben das Signet der „Deutsch-Nationale-Freunde e.V.“, darunter handschriftlich mit dem Filzstift: „Deutschland 1993 — Massenarbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Asylbetrug ... 300.000 Abtreibungen jährlich. Jetzt hilft nur noch NSPD.“ Heidi E. ist empört: „Zu sowas will ich nicht schweigen.“

Unterzeichner der Flugblätter ist ein Bremer: Reinhard-Justus Becker, der sich auch gleich als Doppelbundesvorsitzender outet. Einmal als der Chef der „Deutsch- Nationalen-Freunde und auf der Rückseite als der frischgebackene Bundesvorsitzende der NSPD. „Die neue Partei nimmt erstmals im Frühjahr 1994 in Niedersaachsen an Wahlen teil!!!!!“ Für eine Telefonnummer hats nicht ganz gereicht, aber immerhin ist ein Postfach angegeben.

Doch bevor sich jetzt die Antifa-KämpferInnen auf den Weg machen, soll doch Entwarnung gegeben werden. Ein paar Nachfragen in der Bremer Szene reichten aus. Reinhard-Justus Becker aus der Bremer Neustadt ist nämlich kein unbeschriebenes Blatt, und die NSPD ist beileibe nicht die einzige Gründung in seinem Leben. Davor lagen zum Beispiel die „Deutsch-Nationalen-Freunde“ und ein „Freundeskreis Deutsches Reich“ und allen Organisationen ist eines gemeinsam, ihre Mitgliederstärke. Bei jeder Gründung wurde Becker im wahrsten Sinne des Wortes einstimmig gewählt. Zuletzt wollte er am geschichtsträchtigen 30.Januar in Berlin die NSPD gründen. Da ist nichts draus geworden.

Becker, mit Betrügereien schon notorisch gerichtsbekannt, hält sich meistens rund um den Bahnhof auf, läuft mit dem Arbeitslosenausweis über die Bahnsteige und versucht so, bettelnderweise an Geld zu kommen, erzählt einer aus der rechten Szene. Das setzt er dann zum einen Teil in Alkohol um, zum anderen in Flugblätter. Die fabriziert er in Heimarbeit, kopiert sie bei Horten und stopft sie dann in die nächstbesten Briefkästen, wo sie große Aufregung verursachen und meistens aber nur eine Zweck haben, doch den hat Becker diesmal vermasselt: Früher hat er immer eine Kontonummer für seine Organisationen veröffentlicht. Die von seinem Sparbuch. Jochen Grabler