Knallroter Exitus

■ „Sniper – Der Scharfschütze“ von Luis Llosa mit echten Heckenschützen

Gott arbeitet für die US-Army. Im Tarnanzug und mit Präzisionsgewehr robbt der Allmächtige durchs mittelamerikanische Unterholz, um seinen Job zu erledigen. Am Rande einer Lichtung bekommt ein Menschlein einen Logenplatz im göttlichen Fadenkreuz. Der Herr läßt seinem Schäfchen noch zwei, drei Sekunden auf grüner Au und schickt dann mit äußerster Konzentration seinen stahlmantelumhüllten Todesboten mit Hochgeschwindigkeit genau ins Herz des armseligen Sünders. Knallroter Exitus. Amen!

Scharfschütze zu sein ist für Regisseur Luis Llosa so, „als wäre man Gott“. Das, was für unsereins wie ein hinterhältiger und feiger Mord aussieht, ist für den peruanischen Hollywoodangestellten „das aufregendste Spiel der Welt“. Echte Heckenschützen der U.S. Marines haben ihm das erzählt. Von den inzwischen pensionierten staatlichen Killern, die in Vietnam ungestraft massenhaft morden durften, holte sich Llosa die Details und die Philosophie für seinen Film „Sniper“. Hieß es bei der deutschen SS noch schwülstig und dumm „unsere Ehre heißt Treue“ so lautet der Ehrenkodex der Ami- Mörder lapidar „One Shot, One Kill“ – alles andere wäre Verschwendung an Worten und an Material, sagen die echten Heckenschützen.

Ganz so platt wollte der faszinierte Llosa seine Geschichte nun aber doch nicht erzählen. Also darf Sergeant Thomas Beckett (Tom Berenger) zwar im Auftrag Washingtons durch den panamesischen Dschungel kriechen und Drogenbosse und Rebellengeneräle abknallen, muß aber gleichzeitig auch ein paar Selbstzweifel, ein bißchen Angst vor der Zukunft zeigen. Als sein Partner dem Berufsrisiko erliegt, zerdrückt Beckett eine Träne und macht sich dann daran, den Nachfolger einzuarbeiten. Gemeinsam spielen sie wieder Gott.

Llosa spricht von der „Faszination des Tötens“, ohne zu sagen, was das denn bitteschön sein soll, und wenn es denn so eine Verzauberung wirklich geben sollte, sie doch wohl nur einem kranken Hirn zu verdanken sein kann. Vielleicht meinte Llosa ja jene Faszination, die Coppola so beeindruckend in „Apocalypse Now“ darstellte, indem er den berühmten Hubschrauberangriff zunächst wie einen Militär-Werbefilm inszenierte, nur um kurz darauf die sonnenumkränzten Maschinen in ein Inferno stürzen zu lassen. Llosa dagegen installiert einen klassischen amerikanischen Helden: Einsam, hart, stoisch und natürlich der Beste in seinem Job. Nach spannenden Menschenjagden sieht man dann in einer Trickaufnahme genau wie die Kugel des Heckenschützen den Gewehrlauf verläßt, ein Zielfernrohr der Länge nach durchschlägt und sich ins Auge des Gegners bohrt. Das gibt beim Publikum den gewünschten Wow!-Effekt.

„Das Schlimmste am Militär und Krieg ist, daß man eine Maske zur Schau tragen muß“, meint Luis Llosa, „man darf sich nicht anmerken lassen, daß man Skrupel hat zu töten.“ Nur warum jemand diese Maske überhaupt aufsetzt, das erzählt uns Mr. Llosa nicht. Karl Wegmann

Luis Llosa: „Sniper - Der Scharfschütze“, mit Tom Berenger, Billy Zane u.a.; USA 1992; 98 Min.