Rußland vor einer „endgültigen Lösung“?

■ Sitzung von Sicherheits- und Präsidialrat unter Leitung von Boris Jelzin/ Schewardnadse fordert Jelzin zur Krisensitzung über Abchasien auf

Moskau (AFP/taz) – In Moskau ist am Mittwoch der Sicherheitsrat unter Vorsitz von Präsident Boris Jelzin zu Beratungen über die jüngsten Entscheidungen des Volksdeputiertenkongresses zusammengekommen. Außerdem war für den gestrigen Nachmittag auch eine Sitzung des Präsidialrates – Jelzins Beratergremium – vorgesehen. Der Sicherheitsrat ist das höchste Organ der Russischen Föderation in Sicherheitsfragen.

Die Sitzungen der beiden Gremien wurden mit Spannung erwartet. Anfang der Woche hatte das Präsidialamt angekündigt, Jelzin, der mehrfach mit „extremen Maßnahmen“ und „einer endgültigen Lösung“ gedroht hatte, werde nach dem Besuch des französischen Präsidenten Mitterrand Stellung beziehen. Auf einer Pressekonferenz mit Mitterrand am Dienstag hatte Jelzin darauf hingewiesen, daß das G-7-Treffen im Juli „zu spät“ komme. „Wir brauchen die Unterstützung jetzt, denn die Tage sind gezählt.“

Spekuliert wurde über die Form der von Jelzin angekündigten Kabinettsumbildung. Während die einen annahmen, daß es dadurch zu einem „konservativen“ Kurswechsel kommen werde, gingen andere davon aus, daß der von den Konservativen scharf kritisierte Außenminister Kosyrew im Amt bleiben werde. In einem am Mittwoch in der Regierungszeitung Rossijskje Westi veröffentlichten Artikel versuchte der stellvertretende Ministerpräsident und juristische Berater Jelzins, Sergej Schachraj, dagegen, Befürchtungen vor einer weiteren Eskalation zu zerstreuen. Unter Hinweis auf die Sitzung des Sicherheitsrats sagte Schachraj, niemand sei in der Lage, „außergewöhnliche Maßnahmen“ anzuwenden. Unterdessen erklärte der Oberbefehlshaber der GUS- Streitkräfte, Marschall Schaposchnikow, daß die russische Armee im Machtkampf zwischen Präsident und Parlament strikt Neutralität wahren würde.

Zu einem Krisentreffen über den georgisch-abschasischen Krieg hat Georgiens Staatschef Eduard Schewardnadse Jelzin aufgefordert. Dadurch solle eine weitere Eskalation verhindert werden. Zuvor hatte Schewardnadse von einem bewaffneten Konflikt zwischen Georgien und Rußland gesprochen und die Bürger Georgiens aufgefordert, Waffen gegen die „abchasischen Separatisten“ zur Verfügung zu stellen. ITAR- TASS meldete Bombenangriffe georgischer Streitkräfte auf russische Positionen in Etschera nördlich der abchasischen Hauptstadt Suchumi. Dabei seien drei Menschen getötet worden. Seit dem erneuten Beginn der Kämpfe zwischen abchasischen und georgischen Truppen am Montag starben über hundert Menschen.