Samaranch als Monumentalstatue

Wie Peking um die Olympischen Spiele wirbt: Saubere Luft durch Heizverbot und schmeichelnde Angebote an greise IOC-Mitglieder  ■ Aus Hongkong Anita Kugler

Wenn IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch Mitte April nach Berlin einfliegt, um sich hier den Stand der Vorbereitungen für die Bewerbung um die Spiele im Jahr 2000 anzuschauen, wird er sich angesichts von Blaulichtkolonnen und Demonstrationsbekämpfung wehmütig an Peking erinnern: Wie schön war es doch dort in der vorletzten Woche gewesen!

Schon der Empfang am Flughafen war die reinste Augenweide. Die Volksrepublik China hatte so viele Minister, Volkskongreßdeputierte, Bürgermeister mit Blumen zur Begrüßung abkommandiert, daß Samaranch und sein Gefolge eine geschlagene Stunde brauchten, um die Abfertigungshalle durchqueren zu können. Und alle lächelten ununterbrochen, denn „Smile offensive“ heißt ganz offiziell die über Rundfunk propagierte Freundschaftsstrategie. Die kilometerlange Straße bis zum eigens für das Olympiakomitee teuer renovierten Luxushotel säumten Hunderttausende von winkenden Schulkindern. Sogar Gruppen mit tanzenden alten Frauen wurden an Kreuzungen gesichtet. Aus den Fenstern der Häuser hingen rotgoldene Girlanden und bunte Transparente mit Glückwunschbotschaften. „Gegrüßt sei Samaranch, der große Sohn von Cervantes“, stand auf vielen zu lesen. Ganz „spontan“ sei dieses Willkommen gewesen, beteuerten Chinas Regierende, denn „das Volk freue sich auf Olympia“.

Was auch ganz sicher wahr sei, so ein Kommentar in der in Hongkong erscheinenden South China Morning Post. Die seit Monaten tobende allgemeine Olympiabegeisterung in ganz Nordchina stelle „den größten Vorteil gegenüber dem bislang aussichtsreichsten Konkurrenten Sydney dar“, hieß es. Daß auch Berlin sich rüstet, war der Hongkonger Zeitung hingegen nicht einmal ein Wort wert. Für die Volksrepublik steht mit der Bewerbung, über die im September entschieden werden soll, viel auf dem Spiel. Im kommenden Mai wird schon mal geprobt, in Schanghai finden dann die Ostasien-Spiele statt. Aber vor allem die Ausrichtung der Olympiade 2000 soll Chinas Öffnung nach Westen belegen, die Marktwirtschaft ankurbeln und vor allem einen ernsthaften Beweis für den Demokratisierungswillen des Landes liefern. Um mögliche unliebsame Fragen nach den Menschenrechten zu vermeiden, hatte Peking deshalb schon vor der Ankunft des Olympiakomitees einige prominente Bürgerrechtler aus der Haft entlassen, und in dem dickleibigen China-Katalog, der Samaranch in die Hand gedrückt wurde, tauchte das Wort „Sozialismus“ nicht ein einziges Mal auf.

Aber auch sichtbar hatte sich die Stadt auf diesen wichtigen Besuch gut vorbereitet. Schon Wochen vorher hatte der Pekinger Bürgermeister verboten, daß irgend jemand in oder um Peking mit Kohle heizt. Besonders schadstoffabsondernde Fabriken waren, wie die South China Morning Post berichtete, seit Januar geschlossen. Die Stadt, die seit Jahren so versmogt ist, daß sie von Satelliten aus nicht mehr erkennbar ist, sollte der greise Samaranch erleben können, ohne ins Husten zu kommen. „China nimmt den Umweltschutz sehr ernst“, beteuerte der vormalige Bürgermeister Chen Xitong. 7,5 Milliarden US-Dollar will die Stadt in ein neues Verkehrs- und Kommunikationssystem stecken und 1,1 Milliarden für neue Sportstätten und Renovierung der vorhandenen ausgeben.

Damit Samaranch oder die ihn begleitenden Experten aber auch sofort ein ordentliches Bild der Stadt mit nach Hause nehmen, hatte die Stadtverwaltung 330.000 Schulkinder zum Straßenputzen abkommandiert und 410.000 neue Abfallkörbe aufgestellt. Den 365 Tage im Jahr durch Ampeln, Zebrastreifen und Verkehrsordnung unbelasteten chaotischen Fahrrad- und Busverkehr regelten während der Besuchstage im Schnellkurs ausgebildete Verkehrspolizisten. Manchmal standen gar zehn gleichzeitig auf dem Platz. Und um die Staffage komplett zu machen: Sämtlichen auf offener Straße arbeitenden Garküchen wurde das Brutzeln verboten. Nur mit den Geschenken haperte es offenkundig. Einen Pandabären durfte Samaranch taufen, und statt der üblichen Geschenke bot das „Beijeng Olympic Bid Committee“ den Gästen an, sich in der Stadt verewigen zu lassen. Steinmetze würden eine „Monumentengruppe“ von Samaranch und all den anderen IOC- Mitgliedern anfertigen und diese im Jahre 2000 feierlich an zentraler Stelle enthüllen. Wenigstens dieses Pekinger Angebot könnte Berlin leicht kontern: Statt das Thälmann-Denkmal abzureißen, müßten dem steinernen KPD-Führer kostengünstig nur die Züge des IOC-Chefs eingemeißelt werden.