Frauen fliegen sanft raus

■ Kranken Leichtlohn-Arbeiterinnen wird gekündigt / Betriebsrat: Ungesetzlich

Seit 15 Jahren montieren sie Auto-Blinkhebel und Warnblinker, ruinieren sich dabei Handgelenke und Wirbelsäule — nun wird ihnen gekündigt: Zunächst fünf Arbeiterinnen bei dem Autozulieferer Bremer Werkzeug-und Maschinenbau (BWM) steht die Kündigung bevor, weiteren sieben ist sie angedroht, 50 werden noch erwartet.

Gestern war Betriebsversammlung bei BWM. Anlaß: In den letzten Wochen hat die Personalabteilung wegen des Krankenstandes von bis zu 30 Prozent Mitarbeiterinnen der Montageabteilung mit besonders hohen Fehlzeiten zu sich zitiert. Was sich dann abspielte, schildert Betriebsrätin Sabine Holger so: Den Frauen habe man die Krankenzeiten der vergangenen Jahre vorgehalten, gesagt, das sei betrieblich nicht mehr tragbar, und ihnen dann Auflösungsverträge angeboten. Ansonsten müsse man ihnen kündigen.

„Das ist eine Sauerei“, schimpft Betriebsrat Andreas Allnoch, „als wäre die Krankheit das persönliche Problem einzelner Frauen.“ Sie sei vielmehr durch die Arbeit bedingt. Rund 230 Frauen verrichten bei BWM monotone Arbeit, eingruppiert in der „Leichtlohngruppe“. „Verglichen mit anderen Frauenarbeitsplätzen sind Tische und Bestuhlung bei BWM am schlimmsten“, sagt Lies Bohlmann von der IG Metall.

Dazu komme der Streß durch in letzter Zeit verschärften Akkordzeiten, erzählen die Arbeiterinnen: Es gebe kaum noch Spielraum, Prozente zu machen, an manchen Arbeitsplätzen erreiche man nicht mal 100 Prozent. An einigen Plätzen könne man sich nur mit Mühe die Zeit für den Gang zur Toilette herausarbeiten. Die Frauen klagen über Blasenentzündungen und Nierenschmerzen.

Die „Krankengespräche“ seien eine Routinesache, erklärt dagegen BWM Personalleiter Hermann Milz. Wahrscheinlich würden die Frauen vor dem Hintergrund der Kurzarbeit seit Ende 92 eine scheinbare Zunahme wahrnehmen. Montags wird bei BWM nämlich nicht mehr gearbeitet: Wegen der Flaute in der Automobilbranche sind die Aufträge für BWM um rund 20 Prozent zurückgegangen. Milz fügt hinzu: „Wir wollen eben betriebsbedingte Kündigungen vermeiden.“

Genau über diesen Winkelzug sind die BetriebsrätInnen am meisten empört: Indem man „kleckerweise“ kündige, umgehe man das Betriebsverfassungsgesetz, sagt Christian Allnoch. Das schreibe nämlich bei einem betriebsbedingten Personalabbau von mehr als 5 Prozent der MitarbeiterInnen der Geschäftsleitung einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat vor, bei mehr als 10 Prozent einen Sozialplan. Zähle man alle Kündigungen der letzten Zeit, auch in den anderen Werksteilen, zusammen, sei man längst bei 5 Prozent.

Die Betriebsversammlung gestern verlief ergebnislos. Geschäfstführer Klause schwieg sich über die Gesamtzahl der Kündigungen aus. Der Betriebsrat will nun vom Arbeitsgericht klären lassen, ob die Bedingungen für einen Interessenausgleich erfüllt sind. „Rechtlich und moralisch sind wir im Recht“, sagt Christian Allnoch. Er macht sich jedoch auf einen zähen Kampf gefaßt. cis