Zwischen Korn und Seelenstrip

■ 'Warnix machtnix– zeigt im Lichtmeßkino gehässige Kurzfilme über Kriminalität

zeigt im Lichtmeßkino

gehässige Kurzfilme über Kriminalität

Die Präsentation von Kurzfilmen gerät bei warnix machtnix, der Sub- Gruppe des Lichtmeßkinos, immer zum Fest mit Schnaps. Wurden Filme rund ums Essen gezeigt, konnte das Publikum Underberg genießen, bei kurzen Erotik-Streifen schlürfte man in der Pause klebrigen Eierlikör. Heute und morgen werden Dorit Kiesewetter und Carsten Knoop vom Lichtmeßkino zum 15. Male unter dem Namen warnix machtnix ausgewählte Kurzfilme zeigen. Da sich die insgesamt 13 Werke diesmal mit Kriminalität - im weitesten Sinne - beschäftigen, entschied sich Carsten Knoop nun für einen kostenlosen Korn.

Als Motto dieses kriminellen Trash-Abends wählten warnix machtnix den Zimmermannschen Lehrspruch „Ehrlich währt am längsten“. Doch die Filmchen, zwischen einer und 19 Minuten lang, strafen diese Kinderzimmer-Moral oft Lügen. Im Duell (von Antje Dorn) schlagen sich zwei Krankenschwestern mit gepickelten, vorsintflutlichen Keulen die Köpfe ein - ungestraft. Auch in der Wohnzimmer-Produktion von Alex Killmann Gratisbett beim lieben Gott triumphiert das Böse in Form von vier mordenden Krankenpflegerinnen. Der Kurzkrimi von Manfred Jelinski hingegen zeigt die übliche Moral. Die Polizei gewinnt gegen die Gangster und zusätzlich die schöne Frau; komprimiert wird mit Ausschnitten von US-Cop-Serien, die in einem 60-Sekunden-Intervall alles zeigen, wofür die Originale 45 Minuten benötigen.

Mit einer anderen Form der Kriminalität befassen sich die Kurzfilme, die Kiesewetter und Knoop „Betroffenheitsfilme“ oder „Aufrichtigkeitsfilme“ nennen. Im Stil der richtigen Reality-Shows werden hier Protagonisten zum öffentlichen Seelenstrip genötigt. In Stichpunkt Herz (von Christoph Schuch) entlockt die verständnisvolle und engagierte Journalistin der verlassenen Gaby die Liebesgeschichte mit einem Schlagersänger, der ihr das Herz brach. Michael, der den Song extra für Gaby schrieb, zeigt sich gegenüber der Journalistin ebenfalls betroffen: „Die Sehnsüschte bedrücken misch.“ Eine doppelte Art von Peinlichkeit zeigt Werner Senft in seinem ironisch-autobiografischen Film Die schlimmste Zeit. Er persifliert sich selbst und dokumentiert seine Selbstkrise, läßt das Pu-

1blikum seinen filmischen Selbstmord miterleben, um gleich danach sein egozentrisches Werk im Film zu rechtfertigen - eine Art „Ich bekenne zwiefach“.

Ein immer wieder vom Publikum geliebtes Unter-Genre des kurzen Trash-Films ist das des liebevollen Peterwagen-in-Aktion-Kinos. Mit „Verbrechen, die nie stattgefunden haben“ wird im Lokomotivenkomplott und im Schicksalshaften Kiosk, beide von Joachim Hofmann, amüsiert. Schwarzweiße Dokumentarbilder von Heinrich Lübke werden in Wochenschau-Manier tonlich neu unterlegt, Nick-Knatterton- Animation mischt sich mit Zimmer

1mannscher Szenen-Nachstellung und 60er Jahre-Muff.

Fast alle Kurzfilme sind äußerst unterhaltsam, bei einigen muß das Publikum allerdings über einen Hang zur Gehässigkeit verfügen, um sich dem Vergnügen des Lachens hingeben zu können. Besorgten Mitmenschen, betroffenen Pädagogen und betulichen Müttern sei der Besuch der „kleinen Spelunke“, wo man „rauchen, trinken und dazwischenschreien“ darf (Knoop) also nicht empfohlen. Wer dem Korn - kost ja nix - sehr zusprechen möchte, sollte vorher aber sicherstellen, daß er oder sie die Leckerbissen des Abends schon ge-

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4sehen hat: Nonstop von der Finnin Kari Paljakka, der mit seinen verwobenen Handlungsschlaufen gelungen und gekonnt die filmischen Möglichkeiten von Szenen mit Pistolen durchvariiert, Bravo Papa 2040 (von Susanne Fränzel), der männliches und weibliches Verhalten in bedrohlichen UFO-Situationen rasant bebildert — hie ausgefeilteste Technik, dort die rigorose Mistgabel —, und zuletzt sollte der Animationsfilm Warum geht dieser Mann hier? von Les Messieurs De Dompteures nicht verpaßt werden: Wo Tulpen rassistisch werden, muß man aufmerken. Greta Eck

Heute und morgen, 21 Uhr.