Wohngruppen-Knast: sich näherkommen

■ Bilanz im Knast nach einem Jahr: Mehr Komfort, weniger Raum, Aggression gestiegen

„Knast ist nie nett“, stellt Insassenvertreter Heinz S. klar. Trotzdem gibt es in der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen große Unterschiede: Die 120 Männer in Haus 1 zum Beispiel haben weder eine Küche noch einen Aufenthaltsraum.

Nach Feierabend um 16 Uhr laufen sie treppauf, treppab durch die vier Stockwerke des Trakts und besuchen sich gegenseitig auf den Zellen (Normgröße 9 Quadratmeter). Pro Stockwerk ein Beamter. „Für Gespräche ist da wenig Zeit“, sagt Anstaltsleiter Hans Henning Hoff. Klassischer Massenvollzug eben.

Viel mehr unter Kontrolle stehen die Insassen von Haus 2: Hier sind jeweils 30 Häftlinge zu einer Gruppe zusammengeschlossen, die Stockwerke wurden abgetrennt — Wohngruppenvollzug. Der Anstaltsleiter bevorzugt eine andere Sprachregelung: Gruppenvollzug. „Ein Raum, in dem gleichzeitig das Klo ist, ich weiß nicht, ob man das Wohnen nennen kann.“ Der Vorteil für die Gefangenen: Eine Küche mit zwei Herden, Spüle, Kühlschränken. Außerdem Waschmaschine und Duschraum für 30 Leute, statt für 120, ein Aufenthaltsraum. Und 50 Prozent mehr Personal.

Vor gut einem Jahr ist auch in Bremen der sogenannte Wohngruppenvollzug eingeführt worden, von mancherlei Hoffnungen, aber auch von Befürchtungen begleitet. Ein wesentlicher Grund für die Einführung war die hohe Krankheitsrate bei den Beamten, ihre Unzufriedenheit mit dem „Schließer“-Dasein. Ein anderer Grund: die Drogenabhängigkeit von immer mehr Inhaftierten, das unkontrollierbare Dealen. Durch übersichtlichere Gruppen, mehr Beamte und vor allem auch mehr Kompetenzen für die Beamten sollte die Kontrolle vergrößert werden. Sollte aber auch die Entsozialisierung der Gefangenen begrenzt werden.

Bei den BeamtInnen blieb der Erfolg nicht aus: Der Krankenstand sank von 10 Prozent auf unter 0,5 Prozent. Jeweils drei BeamtInnen bilden nun ein Team und sind für 9 bestimmte Gefangene „Ansprechpartner“. Was früher der Abteilungsleiter allein machte, übernehmen nun auch sie: etwa Anträge auf Urlaub, Arbeitsplatzwechsel oder Ausgang bearbeiten. Sie nehmen Kontakt mit den Angehörigen auf, begleiten den Gefangenen auf dem ersten Ausgang.

Man ist sich also näher gekommen. Ein Beamter schwärmt geradezu: „Da sind echt tolle Burschen drunter.“ Schon zweimal haben sich BeamtInnen und Insassen am Sonntagmittag zum gemeinsamen Mahl im Flur versammelt, mit Kaffee anschließend. Eine Gruppe hat sich für den Flur ein Blockhäuschen gebaut, eine andere plant Blumenkübel.

„Die Leute bringen sich mehr ein“, sagt der Beamte. Die Insassen, und auch ihre BewacherInnen. „Aber das ist ein Projekt für Jahre“, sagt der Anstaltsleiter. Schließlich müssen nicht nur die Räume verändert werden, sondern sich auch die BeamtInnen verändern.

Und die Gefangenen, auch zufrieden? „Der ganze Bau ist renoviert und dabei wenigstens sauber geworden“, sagt Insassenvertreter S. trocken. „Große, gemeinsame Essen — das verändert doch den Knast nicht.“ Küche und Aufenthaltsraum — prima.

Aber die räumliche Enge, die macht zu schaffen. Zu wenig Auswahl an Menschen, zu wenig Bewegung. Die Aggression sei gestiegen, stellt auch Insassenvertreter Thomas M. fest. Dazu fehle ein dritter Beamter pro Schicht, der war eigentlich mal eingeplant. Wird einer zum Sport begleitet, ein anderer zum Besuch — dann sei überhaupt niemand auf Station.

Das Ansprechpartnersystem finden die beiden Sprecher prinzipiell nicht schlecht, doch in der Realität kennen viele Gefangene „ihren“ Beamten gar nicht. Es gebe auch nur einen einzigen Beamten, der mit „seinen Leuten“ auch mal einen Gruppenausflug unternehme, zum Beispiel ins Schiffsmuseum nach Bremerhaven.

Auch der Leiter sieht Mängel, möchte aber nach nur einem Jahr noch kein Fazit ziehen. „Etwas humaner, etwas überschaubarer“ sei der Knast geworden. Da stimmen die Insassenvertreter zu. „Aber der Vollzug beginnt eben, wenn man alleine in der Zelle sitzt.“ Und eingeschlossen wird in der Regel nach wie vor um 18.30 Uhr.

cis