Volksfahrräder suggerieren China-Gefühl

■ Auf dem Breitscheidplatz wurden die ersten Räder „an alle Berliner“ verschenkt

Berlin. Riesiges Glück hatte gestern eine Gruppe arabischer Jugendlicher aus Schöneberg. Rein zufällig tauchten sie am Breitscheidplatz genau zu dem Moment auf, als die erste „Volksfahrrad- Verschenkungsaktion“ mit 15 Rädern begann. Strahlend radelten sie fort, jeder mit einem schönen, in Rußland produzierten Drahtesel unter dem Hintern. Wenn es allerdings nach dem Willen der Spender geht, dann darf das individuelle Fahrradglück nicht allzu lange dauern. Denn die Kreuzberger Firma Appel wollte mit dieser – Werbung und Umweltschutz aufs schönste zu vereinenden – Aktion nicht einzelne Berliner beglücken, sondern ganz Berlin. Die Fahrräder, alle mit Fünf-Gang-Schaltung und Firmenlogo (Sonderposten Reste-Möbel) am Gepäckträger sollen nur kurzfristig benutzt und nach Gebrauch anschließend auf öffentlichem Straßenland wieder abgestellt werden. Dort soll sie dann der nächste Nutzer finden – und so weiter und so weiter. Irgendwann, so die Vision von Carsten Appel, 22 Jahre jung, herrschen dann in Berlin chinesische Zustände. Ein umweltverträglicher Verkehr, zu Gunsten und zum Nutzen aller.

Die Idee ist gut, wenn auch alle ähnlichen Aktionen in anderen europäischen Großstädten bislang gescheitert sind. In Amsterdam gab es vor etwa 20 Jahren die Initiative „weiße Fahrräder“. Etwa 10.000 Gemeinschaftsräder finanzierte damals die Stadtverwaltung. Nach einem halben Jahr mußte das Projekt abgeblasen werden. Das kommunale Eigentum war in privaten Kellern verschwunden und wurde vor allem über die deutsche Grenze verschoben. Auch die nächste Initiative in Kopenhagens Alternativ-Enklave Christiania endete ebenso schmählich.

Einziger Ausweg aus dieser Misere: Berlin müßte mit öffentlichen Fahrrädern so überschwemmt werden, daß der Gebrauchträdermarkt zusammenbricht. Die Möbelfirma will ihr Bestes tun. Bis zum Sommer will sie noch hundert Räder in den allgemeinen Verkehr einschleusen und sucht darüber hinaus noch für knapp 1.000 weitere Volksräder Sponsoren. Diese, so Appels Idee, können für 300 Mark ihr Firmenlogo am Gepäckträger spazierenfahren lassen. Und sollten die Gemeinschaftsfahrräder mal wegen Überbelastung zusammenbrechen: ABM-Kräfte können sie reparieren. Mit der Senatsverwaltung Arbeit und Frauen sei man bereits im Gespräch. aku