■ In der Herta-Frage darf die SPD nicht vor Schäuble kuschen
: SPD – was nun?

Der Vorstellung der SPD-Bundestagsfraktion entsprechend soll – nachdem zuvor der ehemalige Justizminister Schmude und die Justizsenatorin Limbach auf dem öffentlichen Markt der Meinungen gehandelt wurden – Herta Däubler-Gmelin Richterin am Bundesverfassungsgericht werden. Die CDU/CSU hat zur Nominierung Däubler-Gmelins erklärt, aufgrund des öffentlichen Gerangels sei die Konsensfähigkeit des SPD-Vorschlags nicht mehr gegeben; sie sieht das Ansehen des Gerichts in Gefahr. Gegen CDU/CSU ist eine Wahl von Däubler-Gmelin nicht möglich.

Seit Jahrzehnten haben SPD und CDU/CSU ein Verfahren praktiziert, in dem die Richter und (wenigen) Richterinnen des Bundesverfassungsgerichts im kleinsten Kreis „ausgemauschelt“ wurden. Dieses Verfahren – im Bundesverfassungsgerichtsgesetz angelegt – widerspricht demokratischen Grundsätzen. Jeder Bewerber für ein öffentliches Amt muß sich öffentlich legitimieren. Wer es für richtig hält, Richter und Richterinnen des Bundesverfassungsgerichts in Hinterstuben zu bestimmen, hat weniger die Würde des Gerichts als den Parteienproporz im Sinn.

Wenn die SPD nun öffentlich über ihre Kandidaten und Kandidatinnen diskutiert, so ist dies mithin kein Anlaß für Befürchtungen, sondern weckt Hoffnungen und Skepsis zugleich: Zu hoffen ist, daß die SPD über den konkreten Anlaß hinaus generell zur Auffassung kommt, über die Besetzung eines herausragenden öffentlichen Amtes müsse eine öffentliche Debatte geführt und dies auch gesetzlich – entsprechend den Bestimmungen der Wahl für den Supreme court der USA – ermöglicht werden. Zu befürchten ist, daß die SPD Herta Däubler-Gmelin fallenläßt.

Gründe für eine solche Befürchtung gibt es viele. Die CDU/CSU könnte wiederum – wie beim Thema Asyl, wie beim Thema „Innere Sicherheit“, wie beim Thema Bundeswehreinsätze – geneigt sein, die SPD öffentlich vorzuführen, indem sie Däubler-Gmelin ablehnt. Eine kompromißlose Haltung der CDU/ CSU zwingt der SPD zwei Alternativen auf: Sie kann unter Verlust ihres Ansehens „einknicken“ – selbstverständlich nach harten Auseinandersetzungen, aber unter Berücksichtigung des Ganzen! – oder sie kann über den Konfrontationskurs der CDU/CSU hart bleiben und den Verfassungskonflikt riskieren, indem sie auf keinen Kompromiß eingeht und an der Person Herta Däubler-Gmelin festhält. Sie riskiert damit, daß eine Stelle beim Bundesverfassungsgericht zunächst einmal unbesetzt bleibt und eine längere öffentliche Debatte mit ungewissem Ausgang stattfindet. Ein Einlenken der SPD zugunsten der CDU/CSU nützt der SPD nichts und schadet Däubler-Gmelin. Ein Konfrontationskurs kann – muß aber nicht – für die SPD Vorteile bringen. In jedem Fall dient er der demokratischen Kultur. Uwe Günther

Rechtsanwalt und Geschäftsführer des „Republikanischen Anwaltsvereins“