Prozeß gegen Antifaschistin wird eingestellt

■ Erstes Verfahren im Dunstkreis der Rostocker Pogrome gerät zur Provinzposse

Rostock (taz) – Vor dem Amtsgericht in Rostock sollte gestern einer Angeklagten aus der linken Szene im Zusammenhang mit den Pogromnächten von Lichtenhagen der Prozeß gemacht werden. Doch was zunächst viel Wirbel verursacht hatte, endete damit, daß das Verfahren eingestellt wurde.

Dabei hatte es so schön angefangen. Da gab es die aufrechte Antifaschistin Birgit R. und ihren Hamburger Anwalt, eine ganze Gruppe Antifas aus Nord- und Ostdeutschland zur Unterstützung, eine beträchtliche Zahl von Bereitschaftspolizisten und natürlich Richterin und Staatsanwältin. Der Prozeß konnte beginnen, aber wie lautete die Anklage? Das wußte offenbar noch nicht einmal die Vorsitzende Richterin Anne- Dore Schörner genau.

Birgit R. war während der Pogromnächte in Rostock-Lichtenhagen im August letzten Jahres festgenommen worden. Mit drei anderen Antifas aus Hamburg und Erfurt wurde ihr Wagen auf dem Weg zum Asylbewerberheim von der Polizei gestoppt. „Sie haben uns rausgezerrt“, erzählte die 31jährige gestern, „haben mich mit dem Kopf aufs Auto geknallt und mir meine Dose CS-Gas überm Gesicht ausgeleert.“ Im Wagen wurden ein Messer, ein Eisenrohr und ein Schlagstock sichergestellt. Der Haftbefehl lautete auf „schweren Landfriedensbruch“. Doch schon einige Tage später schrieb Rostocks Oberstaatsanwalt, der Haftbefehl solle aufgehoben und Birgit R. nur wegen „Verstoß gegen das Versammlungsgesetz“ belangt werden.

Gestern sollte wieder alles ganz anders sein. Für Ostrichterin Schörner stand „Landfriedensbruch im Raum.“ Den notwendigen Hinweis – daß wegen eines wesentlich schwerwiegenderen Vorwurfs als dem „Verstoß gegen das Versammlungsgesetz“ verhandelt werden sollte – unterließ sie. Es folgte: eine Prozeßpause und ein Befangenheitsantrag der Verteidigung gegen die Richterin. Diese maßregelte Anwalt Maeffert, weil er keinen Talar und keine Krawatte angelegt hatte, und lehnte die Befangenheit ab. Maeffert rügte darauf die Überpräsenz des Rechtsstaats in Form der Polizei und die mangelnde Rechtsstaatlichkeit im Gerichtssaal.

Da wurde es Staatsanwältin Karen Rudeck zu bunt. „Hier geht es nicht darum“, sagte sie, „den Rechtsstaat herauszukehren.“ Das Vergehen der Angeklagten müsse im Zusammenhang der Ausschreitungen in Lichtenhagen gesehen werden. „Ich denke, daß das Verfahren eingestellt werden kann.“ Frustriert und arg irritiert schloß sich die Richterin diesem Vorschlag an. Schlußwort der Angeklagten: „Alles heiße Luft.“ Bascha Mika