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Nur zum Beispiel: Stadtwerke

■ Spenden, Zuwendungen, kleine Geschenke erhalten womöglich die Freundschaft

Es fing an, peinlich zu werden mit der „Billigstrom-Affaire“, als herauskam, daß einige Herren aus dem Aufsichtsrat der Bremer Stadtwerke ihre Strom- und Gasrechnungen nur verbilligt, nämlich nach dem Werkstarif der dort Beschäftigten bezahlen mußten. Damals beteuerten viele Betroffene dasselbe wie der Bürgermeister und Aufsichtsrats-Vorsitzende Klaus Wedemeier: Er habe das alles nicht gewußt! Und als er es erfahren habe, habe er das „sofort abgestellt“.

Dann kam die Spendenpraxis der Stadtwerke ins Gerede. Und der parlamentarisch eingesetzte Untersuchungsausschuß begann einen zähen Kampf um Einsicht in die Unterlagen. Wohlweislich geben die Stadtwerke nur einen Bruchteil der Akten heraus, über die Dimensionen kann man nicht einmal mutmaßen. Was jetzt vorliegt an Belegen über Bewirtung und Geschenke an Senatsmitglieder und ihr Umfeld, das betrifft nur einen sehr sehr kleinen Kreis. Ausdrücklich „nicht herausgeben“ wollen die Stadtwerke Unterlagen über „Bewirtungen von Politikern“ außerhalb des Senats, geschweige denn „dritter Personen“, also Geschäftspartner und anderer. Hier würde man sich höchstens einem richterlichen Beschluß beugen.

Ob die Stadtwerke damit durchkommen, ist zweifelhaft: Gerade die Geschenke an Politiker, gerade die Verflechtung mit den Entscheidungsträgern einer Kommune, eines Landes, die zugleich Mehrheitseigner sind, gerade also die Begünstigung Dritter soll der Ausschuß erforschen.

Wir dokumentieren hier einen winzigen Ausschnitt aus dem Aktenberg. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Nichts deutet darauf hin, daß dieser jetzt ein bißchen aufgedeckte Fall ein besonders eklatanter ist, daß hier ganz ungewöhnlich dreiste Verschwendung betrieben wurde. Es gibt keine Gründe anzunehmen, daß bei privaten bremischen Firmen, bei kommunalen Unternehmen oder auch in anderen Städten irgend etwas anders läuft. Also nichts Besonderes. Und gerade in diesem Sinne und deshalb ist dieser Blick so besonders interessant: auf den Normalfall. Als Erhellung einer Bremer Wirklichkeit in Form von Spenden, Geschenken und teurem Essen.

Andreas Fuchs, als Chef der Senatskanzlei ein sehr mächtiger Mann, und Günther Czichon, Chef der Stadtwerke, aßen nicht immer, aber immer öfter zusammen bei Schmidt-Grashoff. Womöglich bewiesen die beiden am 23.7.92 besonderen Witz, vielleicht auch nur völliges Fehlen von Unrechtsbewußtsein, vielleicht auch nur ein trotziges Jetzt-erst- Recht-Gefühl: Als sie damals bei Grashoff zu zweit für 200 Mark aßen, stand eine dringende „Abstimmung“ an, belegt der Beleg: nämlich wegen der „Anfrage CDU/FDP wegen Spenden“. Eben.

Das Thema Spenden, um das es hier und jetzt nicht gehen soll, ist sensibel und sicher abstimmungsbedürftig. Wie die Sparkasse und andere treten die Stadtwerke als potente Machthaber auf, die nicht nur für die SPD-Partei, sondern auch für hunderte von verdienstvollen, aber armen Projekten im Bremer Kultur- und Umweltschutz-Bereich Geld geben. Diese ohnehin schwierige Grauzone der Spenden wird noch grauer, wo sie in den Bereich „Geschenke“ übergeht. (s.u.) Das sind nicht nur Bewirtungen an verdiente Genossen, nicht nur Ratskeller-Weinflaschen in 6er-Kartons zu Weihnachten. Wenn das Hansezimmer, inzwischen Arbeitszimmer des Bürgermeisters im Bremer Rathaus, für 36.328,38 Mark auf Rechnung der Stadtwerke neu hergerichtet wird, wird das vielleicht als Repräsentations-Ausgabe im Interesse Bremens begründet, für die im Landes-Haushalt keine Mittel vorhanden wären. Ob die gepolsterten Lattenroste in Wedemeiers Bonner Bett, dazu Kopfkissen und Teelöffel und „Nachtschrank Esche weiß“ eigentlich auch von den Bremer Stadtwerken bezahlt werden müssen, (eine Ausstattung von insgesamt 31.892,86 Mark in 1990), ist eine Frage. Ob der Chef des Aufsichtsrates, des Senats und des Rathauses das eigentlich als Geschenk, als Begünstigung, als cleveren Deal oder als schlichte Selbstverständlichkeit empfindet, eine andere.

Da ist ein richtiger bremischer Nebenhaushalt entstanden. Und da ist es doch ein Unterschied, ob eine Privatfirma einen Geschäftspartner mit Gänsebrust, Taschenrechnern oder Feuerzeugen freundlich stimmen will, oder ob ein Monopol-Unternehmen in kommunalem Besitz sich mit den politischen Entscheidungsträgern gut stellt. Was die Stadtwerke nicht ausgeben, würde als Konzessionsabgabe, als Gewinn, in den Bremer Haushalt zurückfließen. Und der wird immerhin demokratisch kontrolliert. S.P.

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