Menschenmaschine bei MOKS montiert

■ Premiere im MOKS-Theater: „Menschenmaschine“ / Unterwerfung und Verweigerung bei Georg Büchner.

Eine Bühne zum Assoziieren. Oben eine schwarze Schräge, darauf zwei Liegestühle. Unten eine Rampe, an derem Ende ein großes, hölzernes Zahnrad ist. Der Mensch eine Maschine, das Leben das immergleiche Drehen eines Mühlrades, das auch ein Karussel sein könnte? Auf dem Mühlrad jedenfalls steht eine Kasperlebühne.

Ein Mann, eine Frau stürzen auf die Schräge, lassen sich in die Liegestühle fallen. Er macht Seifenblasen, sie versucht sie zu haschen. Unten erscheint derweil ein zweiter Mann: er montiert Pedale und einen Fahrradsattel und setzt damit das große Zahnrad in Gang. Die Collage-Maschine dreht sich.

Das Stück ist eine Montage von Szenen und Zitaten aus Büchners Werken: Leonce und Lena, Dantons Tod, Woyzeck, Lenz, der Hessische Landbote. Szenen, die sich zu Bildern über Büchner, über seine Vorstellung davon, wie der Mensch funktioniert, fügen sollen. Der Mensch, wie Leonce und Lena, ein Automat, der meint, aus freier Entscheidung zu handeln und doch nur tut, was ihm vorbestimmt ist?

Man könnte die Szenen nach Begriffen sortieren und aufreihen. Zum Beispiel Müßiggang und Moral. Zuerst Zitate aus „Leonce und Lena“, die voller Ironie sind: der arme Prinz, der so gebeutelt ist vom Nichtstun. Oder der König Peter, der sich einen Knoten ins Schneuztuch

hierhin bitte die

Frau mit den

ausgebreiteten Armen

Viola von Lewinski und Anselm HaeseFoto: Claudia Hoppene

macht, um sich an sein Volk zu erinnern. Dann, später - ganz andere Szenen liegen dazwischen -, ein Zitat aus dem „Hessischen Landboten“: „Das Leben der Vornehmen ist ein langer Sonntag, sie wohnen in schönen Häusern, sie tragen zierliche Kleider, sie haben feiste Gesichter und reden eine eigene Sprache; das Volk aber liegt vor ihnen wie Dünger auf dem Acker.“ Und am Ende Szenen aus „Dantons Tod“, die wieder einen ganz anderen Akzent setzen: Robespierre, der Vertreter der totalen

Askese, der der Tugend durch den Schrecken zu ihrem Recht verhelfen will. Dagegen Danton, der das gute Leben schätzt, um sich die Grisetten schart und Tugend und Laster als Kategorien leugnet: „Robespierre, du bist empörend rechtschaffen. Ich würde mich schämen, dreißig Jahre lang mit der nämlichen Moralphysiognomie zwischen Himmel und Erde herumzulaufen bloß um des elenden Vergnügens willen, andre schlechter zu finden als mich.(...) Es gibt nur Epikureer, und zwar grobe und

feine, Christus war der feinste; das ist der einzige Unterschied, den ich zwischen den Menschen herausbringen kann. Jeder handelt seiner Natur gemäß, d.h. er tut, was ihm wohltut.“

Ein Collageprinzip, das interessante, teils parallel verlaufende, teils verschlungene Fäden zieht, die in der Aufführung oft allerdings nicht so recht zu sehen sind. Und das liegt vor allem an einem: Was am Schreibtisch sich intellektuell zu einem facettenreichen Bild collagieren läßt, wirkt auf der Bühne oft verloren. Die Schauspieler müssen, um Sinn und Atmosphäre der herausgelösten Szenen spielen zu können, vom Stand irgendwo

Die Schreibtisch-Collage

zerfällt auf der Bühne

hineinspringen. Und da landen sie oft im Nirgendwo. Anselm Haese zum Beispiel, wenn er, als Danton, dem Robespierre, nach der Debatte über Tugend und Laster, hinwirft: „Nicht wahr, Unbestechlicher, es ist grausam, dir die Absätze so von den Schuhen zu treten?“, da hört man den Satz, doch dessen Sinn sieht und spürt man nicht. Eine Szene, die auf der Bühne leblos bleibt, und es ist nicht die einzige. Oder wenn Petra Wolf als Rosetta tanzen und uns spüren lassen soll, daß ihre Schritte aus der Zeit gehen, da hört man nichts als ihre Schuhe klappern. Sehr viel besser gelingt es Ulrich Pannike auch bei kurzen Szenen so präsent zu sein, daß der Gedanke hinter der Collage bildhaft wird und die Szenen sich neu zusammenfügen. Christine Spiess