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■ Akademie muß sich beweisenKein Gelehrtenpalaver

„Theoriam cum praxi zu vereinigen und nicht allein die Künste und Wissenschaften, sondern auch Land und Leute ... zu verbessern“, notierte der Frühaufklärer Leibniz 1700 als Auftrag der Berliner Akademie. Solche – zumindest formulierte – Praxisrelevanz hätte man sich gewünscht zum Start der neuen Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Hubert Markl aber, Biologe und vorläufiger Präsident, fiel ins Wissenschaftsverständnis des 18.Jahrhunderts zurück. „Nach der Erkenntnis der Wahrheit zu streben“, sei ehrenvolle Verpflichtung der Akademie. Welche Wahrheit bitte schön? Die ewige?

Welche Themen, welche besonderen Fragestellungen sind es, für die Berlin und Brandenburg alljährlich 15 Millionen Mark ausgeben sollten? Geduld, repetierte Markl, die – bislang – 48 Mitglieder müßten sich erst kennlernen. Wo sind die Frauen, wo die Brandenburger Mitglieder? Wird die Akademie Ausländer aufnehmen? „Auf dem Niveau“, lavierte Markl wohlbekannt, gebe es noch „keine annähernd so hohe Beteiligung an Frauen“. Und Ausländer will der Zoologe wohl tatsächlich nur in jenen Anführungsstrichen aufnehmen, wie sie sein Redemanuskript auswies.

Das ist zuwenig, auch weil kaum jemand weiß, was diese Akademie tut. Wer die Akademie der Wissenschaften der DDR mit rund 24.000 Beschäftigten auflöst und ihr Westberliner Gegenstück als schnödes Politikberatungsinstrument einstellt, muß eine neue Akademie überzeugend begründen können.

Die Gesellschaft darf erwarten, daß den Mannen (und drei Frauen) die Gegenwarts- und Zukunftsprobleme schon nach der ersten Sitzung klar sind. Wie soll diese Gesellschaft ihren Verkehr regeln und mit „ihrer“ Energie haushalten? Die globalen Fragen einer Weltwirtschaft, die Entwicklung erschwert und Hunger produziert, verschärfen sich. Schon klopft Clausewitz wieder an die Tür. Das Wort „Arbeitsmarkt“ läßt bald fünf Millionen Menschen in diesem Land würgen. Und die sozialen Sicherungssysteme kranken auch deshalb, weil sie von einer lebenslangen Vollzeitbeschäftigung ausgehen. Bildung ist in Deutschland heute in jämmerlichem Zustand. Diese interdisziplinären Fragen muß eine Sozietät der besten Köpfe thematisieren, wenn sie es denn sind. Ansonsten rechtfertigt nichts die ebenso beliebig wie folgenlos vor sich hin forschenden Sektionen. Auch ein paar junge kluge Köpfe müssen dazukommen, die mehr wollen als eine Gelehrtensozietät und die frecher sind vor den Mächtigen, als ein paar markelige Begrüßungsformeln zu produzieren. Sonst wird das wieder eine Akademie für kurzfristige Politikberatung – und damit überflüssig. Christian Füller

Siehe Bericht Seite 22

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