Zum ersten Mal seit Beginn der rassistisch motivierten Straftaten stehen Mitglieder einer Skin-Gruppe vor Gericht – nicht etwa wegen Anstachelns zum Rassenhaß, sondern wegen Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen.

„Radikahl“ spielt nur gemäßigte Töne

„Radikahl – Retter Deutschlands aus Nürnberg!“ Im Januar 1992 feierte das Skinzine Oi – Deutsches Echo die Liederkassette der Nürnberger Skinband als „Demo-Tape des Jahres“. Die Band galt in den einschlägigen Magazinen als „eine der besten Bands in Deutschland“. Sie spielte Seite an Seite mit der offen rassistischen englischen Kultband „Skrewdriver“ und der schwedischen Skinband „Dirlewanger“. Insbesondere wenn „Radikahl-Sänger“ Manfred (Mandi) W. den „Hakenkreuz“-Song ins Mikrofon gröhlte, jubelten die jeweils über tausend Skins. „Hängt dem Adolf Hitler den Nobelpreis um – Hißt die rote Fahne mit dem Hakenkreuz – Für mich gilt es auch noch heut': Rasse, Stolz und Hakenkreuz!“.

Heute sitzen die vier „Radikahl“-Musiker auf der Anklagebank des Nürnberger Landgerichts. Der Filialleiter Peter Ü. (22), der Installateur Manfred W. (22), der Werkzeugmacher Thomas S. (25) und Marco K. (23) müssen sich wegen der Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen verantworten; sie hatten das Demotape mit dem Song in einer Auflage von über 500 Stück in Umlauf gebracht. Das Strafmaß hierfür reicht bis zu drei Jahren Freiheitsentzug. Alle vier wollen heute mit dem Liedgut von einst nichts mehr zu tun haben. „Ich war nie Skinhead, nur Schlagzeuger“, erklärt Marco K. zu seiner Verteidigung. „Mich interessierten nur die Griffe an der Gitarre“, betont der bereits mehrfach wegen Körperverletzung vorbestrafte Gitarrist Thomas S. Für Sänger Mandi W., einst begeisterter Zeitsoldat bei der Bundeswehr, kommt es darauf an, wie man einen Text versteht. „Andere machen einfach einen Aufruf zur Gewalt daraus.“ Und Gitarrist Peter Ü. macht das Publikum dafür verantwortlich, daß man immer wieder den „Hakenkreuz“-Song gespielt habe. „Wenn man da oben auf der Bühne steht und die Menge fordert das Lied, dann rauscht einem das Blut durch die Adern.“ Mandi W. will das Lied gar nur zum eigenen Schutz gespielt haben: „Nur auf extremes Drängen des Mobs haben wir den Song gespielt, sonst wäre es noch zu Ausschreitungen gekommen.“

Im Januar 1991 hatte „Radikahl“ das Band aufgenommen, Ende März folgte der erste öffentliche Auftritt in Nürnberg. Die Kassetten hätten anschließend „reißenden Absatz“ gefunden, erzählen die vier übereinstimmend, aber keiner will sich genau darum gekümmert haben. Dann kamen Auftritte, ein Plattenvertrag, und schließlich, im November 1991, die Polizei. Obwohl bereits ein Verfahren gegen die Band lief, spielte sie bei ihren Auftritten immer wieder das inkriminierte Lied, mit dem die vier jetzt nichts mehr zu tun haben wollen. „Plumper 08/15-Text“, „ganz großer Mist“ oder „jugendlicher Leichtsinn“, so der Kommentar der Band-Mitglieder heute. Alle distanzieren sich von Gewalt, wollten schon immer mit den „hirnlosen Idioten, die Steine auf Asylantenheime werfen“, nichts zu tun haben. „Wir wollten einfach eine Band sein“, betont Peter Ü., ihm sei es um „Zusammenhalt und Gemeinschaft“ gegangen. Er sei Deutscher, habe aber „keinen Bezug zum Dritten Reich“, versucht er sich von dem den Nationalsozialismus verherrlichenden Liedinhalt zu distanzieren. Das Urteil wird heute erwartet. Bernd Siegler, Nürnberg