CDU-FDP-GAL unisono gegen Schulversuch

■ Oppositionsparteien gegen Gebärdensprache in Gehörlosenschule / Eltern nicht gefragt / Gegner setzen auf Hörgeräte

/ Eltern nicht gefragt / Gegner setzen auf Hörgeräte

Das Wirrwarr um den Sprachen- Streit an der Samuel-Heinicke- Schule ist komplett. Gestern mittag mischten sich die bildungspolitischen Sprecher von CDU, FDP und GAL mit einer eigens einberufenen Pressekonferenz in den Konflikt. Ihre Forderung: Der Schulversuch solle gestoppt, der Streit im Parlament verhandelt werden.

Mit geladen waren die profilierten Gegner eines zweisprachigen Unterrichts für Gehörlose, darunter Thomas Wübbesahl, Vater eines schwerhörigen Kindes. Der Ex- Grünen-Bundestagsabgeordnete meinte im Namen aller Eltern schwerhöriger Kinder zu sprechen. Die Elterngruppe gehörloser Kinder an der Samuel-Heinicke-Schule, um die es beim geplanten Schulversuch eigentlich geht, kamen nicht vor, qua Definition. Wübbesahl: „Es gibt keine gehörlosen Kinder.“

Zum Hintergrund: Bereits seit zwei Jahren bereitet eine Arbeitsgruppe von Lehrern, Eltern und Wissenschaftlern einen Schulversuch vor, der neben dem lautsprachlichen Unterricht auch Gebärdensprache vorsieht. Es habe sich gezeigt, so Professor Siegmund Prillwitz vom Hamburger Zentrum für Gebärdensprache, daß Kinder, die nicht hören können, mit dem rein lautsprachlichen Unterricht interlektuell und emotional total unterfordert werden. Die Eltern der jetzigen ersten Klasse, die bereits im Vorschulalter in Gebärdensprache unterrichtet wurde, schwärmen denn auch von einer sprunghaften Entwicklung ihrer Kinder, die sich mit Hilfe der visuellen Sprache auf einem viel höheren Niveau verständigen können.

Hauptkritik der Gegner: Gebärdensprache im Vorschulalter sei eine Katastrophe, weil sie die Aktivierung der Hörreste verhindere. In der Früherziehung, so die Lehrerin Anne Lobischer, „lehnen wir jeden systematischen Einsatz von Gebärden ab“. Erfahrungen in Schweden hätten gezeigt, daß Bilungualismus nicht funktioniere, behauptete Christiane Hartmann-Börner vom Bundesverband der Hörgeschädigtenpädagogen. Die dort erzogenen Gehörlosen könnten ohne Dolmetscher nicht mehr kommunizieren, wären isoliert und von staatlicher Hilfe abhängig. Kernargument der Bilingualismus-Gegener ist jedoch, daß es eigentlich gar keine Gehörlosen mehr gebe. Mit verbesserten Hörgeräten und einer neuen Innenohrprothese könnten auch gehörlose Kinder hören lernen.

Siegmund Prillwitz sieht das anders: Die Implantation von Mikro- Chips im Ohr sei eine sehr umstrittene Sache, für Kleinkinder auch gefährlich. Selbst bei erfolgreichem Einsatz ermögliche es nur Höreindrücke, keine Sprache. Gerade hier könne die Gebärdensprache sehr von Nutzen sein, um den Kindern die Geräusche zu erklären. Prillwitz betont, daß der Bilingualismus paralell die Förderung der Lautsprache und der Hörreste ausdrücklich vorsieht. Die Schulbehörde, die bei dem Konflikt mittlerweile komplett zwischen den Stühlen sitzt, ging bei den „Eckpunkten“, die sie vorgab, sogar soweit, die Gebärdensprache auf ein Fach zu beschränken.

Ziemlich sauer über die gestrige Pressekonferrenz sind die Eltern der insgesamt 18 betroffenen Kinder. „Wenn der Schulversuch nochmal aufgeschoben wird, werden wir stinkig“, sagt die Ingrid Schwaab. Ihr sechsjähriger Sohn sei in Familie und Kindergarten bilingual aufgewachsen und habe über die Gebärdensprache sehr wohl einen Zugang zur Lautsprache gefunden. Kaija Kutter