Bremischer Datenschutz bekommt die Note „befriedigend“

■ Jahresbericht '92: Datenschutzbeauftragter gegen „Kontrollhysterie beim Leistungsmißbrauch“ / „Datenschutz läuft Technik hinterher“

Die „Gesamtnote 3“ hat der Datenschutz in Bremen für das Jahr 1992 bekommen: Als „insgesamt zufriedenstellend“ bezeichnete der Landesbeauftragte für den Datenschutz, Dr. Stefan Walz, in seinem 15. Jahresbericht den Schutz der Persönlichkeitsrechte in Bremen. Kein Grund zum Zurücklehnen: Auch dieser Bericht enthält „vereinzelte gravierende Datenschutzverstöße“, so Walz.

Da wurde zum Beispiel von der Staatsanwaltschaft die gesamte Strafakte eines Mannes an das zuständige Stadtamt weitergegeben, als dieser die Zulassung als Heilpraktiker beantragte — ungeachtet des Verwertungsverbotes der meisten registrierten Daten. Normal und gebräuchlich, findet der Senator für Justiz und Verfassung.

Die aktuelle Debatte über den Mißbrauch von Sozialleistungen bezeichnete der Datenschützer als „vielfach einseitig und überzogen“: Die Gesetzesvorschläge im Rahmen des Solidarpaktes ermöglichten ein derart umfassendes Datenaustauschnetz, das „erhebliche Risiken“ für die Persönlichkeitsrechte und den Vertraulichkeitsschutz provoziere: „Arme, Ausländer sowie andere Minderheiten und Randgruppen sind von dieser Entwicklung besonders betroffen.“ Der Datenschützer warnte vor einer „Kontrollhysterie“ und davor, alle Leistungsbezieher pauschal unter Mißbrauchsverdacht zu stellen: Statt einer generellen Datenzugriffsmöglichkeit für Sozialämter sollten Überprüfungen zielgruppenorientiert, zeitlich beschränkt und strikt auf die erforderlichen Daten beschränkt sein.

Erneut wandte sich Walz gegen den sogenannten „Großen Lauschangriff“ zur Bekämpfung des Organisierten Verbrechens: „Jedem Bürger muß ein unantastbarer, persönlicher Bereich bleiben, der staatlicher Ausforschung — insbesondere in heimlicher Form — entzogen ist“, betonte Walz. Alternative Fahndungsmethoden seien bis noch nicht ausreichend in der Praxis erprobt worden. Dazu gehörten die Kontrolle kriminell verursachter Geldflüsse und eine Umstellung der Datenverarbeitung in zentralen Polizeibehörden auf die neuen Tätertypen. Kapazität gäbe es dafür genug: Sie wurde zur Terrorismus-Bekämpfung stark erweitert.

Das wohl unspektakulärste, aber für die Zukunft vermutlich schwerwiegendste Problem in Bremen stellt die Datenvernetzung der Behörden und der Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechnologie dar: „Der Datenschutz läuft der Technik hinterher“, so Walz. Die Daten werden mobil: Der Einsatz von tragbaren Laptops und Notebooks erfordert ganz andere Schutzmaßnahmen als für fest in den Behörden installierte PC's. Ein besonders wachsames Auge wird der Landesbeauftragte demnächst auf die Installierung von Sicherungssoftware, sogenannter „Safeguard“, haben. Grundsätzlich bemängelte der Datenschützer, daß bis jetzt noch keine Entscheidungen über die grundsätzliche Koordinierung des technischen Einsatzes gefallen sind — noch während zwei Pilotprojekte über die Einsatzbedingungen und die datenschutzrechtlichen Anforderungen von PC-Netzen untersucht werden, werden schon immer mehr Arbeitsplatzrechner miteinander verknüpft.

Grundlegende Mängel stellte Walz im Ausländeramt fest: Dort könne jeder Mitarbeiter ohne Nachweis intern an jede Ausländerakte herankommen; auch stehe der Zugriff auf das bundesweite Ausländerzetralregister zu vielen offen. Geändert werden soll auch die nicht überall gängige bremische Praxis, die des Verstoßes gegen den § 218 verdächtigten Frauen im polizeilichen Informationssystem zu speichern.

Einer der Schwerpunkte für 1993 wird die Novellierung des Landesdatenschutzgesetzes werden — dazu gehört u.a. die rechte durch Einführung eines Schadenersatzanspruches für Betroffene und diverse Ergänzungsregelungen, zum Beispiel für die Sicherheitsüberprüfung. Die Auswirkungen des Gesundheitsstrukturgesetzes werden die Datenschützer ebenso beschäftigen wie die Datenschutzgesetze im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft.

Zu sämtlichen Fällen und Vorkommnissen der Jahre 1990 und 1991 habe es „keinen kontroversen Diskussionsbedarf“ gegeben, erklärte gestern der Vorsitzende des Datenschutzausschusses der Bürgerschaft, Harald Neujahr. In der letzten Plenarsitzung wurden die beiden vorangegangenen Datenschutzberichte ohne jegliche Debatte ignoriert. Aus Zeitmangel, da der neue Bericht schon vorlag, wie Bürgerschaftspräsident Dr. Dieter Klink erklärte. Darin hatte Walz die Wichtigkeit des „guten Kontaktes zum Parlament“ betont, und bei der Frage, ob er damit nicht unzufrieden sei, fuhr Klink dazwischen: „Das hat ja nicht er, sondern die Bürgerschaft zu entscheiden.“ Offensichtlich ist Walz mit dieser Entscheidung unzufrieden — ist die Debatte doch die einzige Möglichkeit, den Zustand des Datenschutzes öffentlich im Zusammenhang darzustellen. skai