■ Bill Clintons leise Kurskorrektur gegenüber dem Irak
: Es geht auch mit Saddam

Es mag der pure Zufall sein: Just einen Tag nachdem ein paar Fernsehbilder des Golf spielenden George Bush den Amerikanern die Prä-Clinton-Ära ins Gedächtnis rief, nimmt die neue Regierung, möglichst leise und unauffällig, eine überfällige Kurskorrektur in der Irak-Politik vor: Die Aufhebung des Embargos ist ab sofort nicht mehr mit dem Sturz Saddam Husseins verknüpft. Mit jenem heuchlerischen und anmaßenden linkage hatte George Bush einst die Politik der USA und der UNO in eine Sackgasse manövriert. Heuchlerisch, weil Washington aus geostrategischen Erwägungen den Sturz des Diktators, dessen Aufstieg und Aufrüstung der Westen mit finanziert hatte, nicht wollte, als er möglich war. Arrogant, weil diese Art der Macho-Gebärde durch die UNO-Resolutionen zu den Handelssanktionen nicht gedeckt war.

Nun kommt die Kurskorrektur Clintons nicht überraschend. Noch vor seiner Vereidigung hatte der neue Präsident erklärt, daß seine Irakpolitik nicht von der Präsenz Saddams abhänge, sondern von der Frage, ob sich der Irak an alle Resolutionen halte, die die UNO nach dem Golfkrieg gegen das Land verhängt hatte. Diesen Wink hatte man in Bagdad schon verstanden: Seit Clintons Amtsantritt gab es zumindest keine Verletzung der Flugverbotszonen mehr, die im Norden zum Schutz der Kurden, im Süden zum allerdings völlig unzureichenden Schutz der schiitischen Bevölkerung eingerichtet wurden.

Damals mußte sich Bill Clinton empörte Vorwürfe anhören, die „harte“ Position der USA gegenüber Bagdad aufzuweichen. Heute ruft sie kaum noch Aufregung hervor — zumal man in Washington derzeit wieder vollauf mit der Frage beschäftigt ist, ob die Integration von Homosexuellen in die Armee das Ende derselben bedeuten.

Fest steht jedoch schon heute, daß Saddam sich mit der Aufhebung des linkage nicht zufriedengeben wird. Er will zurück zum „business as usual“, das ihm innenpolitisch freie Hand läßt und wirtschaftspolitisch die Rückkehr auf den Ölmarkt ermöglicht. Zu diesem Zweck muß er womöglich nicht mehr zum Mittel der militärischen Provokation greifen. Er kann ganz einfach auf die normative Kraft des Faktischen hoffen: In Bagdad geben sich ausländische Ölgesellschaften längst wieder die Klinke in die Hand, unterzeichnen Absichtserklärungen und gebärden sich mit humanitären Spenden an die Regierung als Philantropen. Je mehr wirtschaftliche Bande da geknüpft werden, desto „vernünftiger“ wird es erscheinen, das Embargo aufzuheben. Ist der Irak erst einmal wieder auf dem Ölmarkt, ist das Ende politischer Sanktionen wie zum Beispiel der Flugverbotszonen nur noch eine Frage der Zeit. Aus den Kurden und Schiiten wird dann wieder, statt eines Falles für die Vereinten Nationen, ein Fall für die „Gesellschaft für bedrohte Völker“. Andrea Böhm, Washington