Polizei - dein Dieb und Schläger?

■ Neue Vorwürfe gegen Polizisten: Türke geschlagen und bestohlen / Wegen Verletzungen muß Opfer Halskrause tragen / Panische Angst vor jedem Polizeiauto

Wedding. „Ich habe eigentlich immer Vertrauen zur Polizei gehabt“, versichert die Postarbeiterin Claudia K. aus dem Wedding. Jetzt aber ist für sie und ihren türkischen Freund Bora A. eine Welt zusammengebrochen. Der 28jährige arbeitslose Matrose war am Sonntag im Wedding in eine Auseinandersetzung mit Uniformierten geraten. Die Folge: mehrere von Krankenhausärzten attestierte Verletzungen am Bauch, den Handgelenken und im Nacken, so daß er eine Halskrause tragen muß. Außerdem wurde er in psychologische Behandlung überwiesen, weil er in Angstzustände gerät, sobald er ein Polizeiauto sieht. Und drittens, sagt er, habe man ihm während seines dreistündigen Aufenthalts auf dem Polizeirevier 16 in der Pankstraße 200 Mark und einen goldenen Talisman aus seiner Brieftasche gestohlen.

Nach der von seiner deutschen Freundin übersetzten Darstellung des Türken war am Sonntag nachmittag in der Reinickendorfer Straße folgendes passiert: Er habe dort einen gemieteten Wagen geparkt, um in ein türkisches Café zu gehen. Die Besatzung eines Streifenwagens habe ihn aufgefordert: „Hey du, zeig deine Papiere!“ Während er sie holte, hätten Umstehende die Polizisten gefragt, warum das nötig sei, aber statt zu antworten, hätten diese Verstärkung angefordert. Im Nu seien vier bis fünf weitere Streifenwagen zur Stelle gewesen. Vor den Augen von rund 40 türkischen und deutschen Zeugen habe ihm ein Polizist den linken Arm auf den Rücken gedreht und ihm „mit dem Knie mehrmals in den Bauch getreten“. Außerdem habe er „Handkantenschläge und einen Boxhieb ins Genick“ abbekommen. Sodann habe man ihn ins Polizeiauto gestoßen, in schmerzhafter Weise Handschellen angelegt und ins Revier 16 gefahren.

Dort habe man ihn in Handschellen in eine Zelle gesperrt. Als er vor Schmerzen schrie und – wie schon öfter in Streßsituationen – unter Herzflattern und Atemnot litt, habe ihn ein Beamte angelacht: „Wenn du 3.000 Mark hast, kannst du einen Arzt haben.“ Wenig später habe man ihn in ein Bürozimmer geführt, die Handschellen abgemacht und die Brieftasche abgenommen. Als er dort den ebenfalls festgenommenen 18jährigen Gürkan C. sah, habe er diesen wegen seiner mittelmäßigen Sprachkenntnisse um Übersetzung gebeten. Ein Beamter habe ihn angeherrscht: „Du hast hier nur deutsch zu sprechen.“ Obwohl auch im Strafregister nichts gegen ihn vorlag, habe man von ihm Fingerabdrücke und Fotos gemacht „wie von einem Schwerverbrecher“. Ein Beamter habe ihn gefragt: „Was bist du?“ – „Türke.“ – „Nein, du bist ein essek oglu essek“, Sohn eines Esels – eins der schlimmsten türkischen Schimpfworte.

Das Protokoll, das man ihm schließlich vorlegte, habe er nicht unterschrieben. Als er seine zerfleddert auf dem Tisch liegenden Papiere nicht zurücknehmen wollte, weil Geld und Talisman fehlten, habe ein Beamter sie in den Mülleimer geworfen: „Jetzt kannste gehen.“ Ein anderer habe sie ihm zuletzt zurückgegeben.

Der völlig geschockte Bora A. mußte sich in einem Krankenhaus ambulant behandeln lassen. Zusammen mit seiner Freundin stellte er bei einer anderen Polizeiwache Strafanzeige. Der erste Beamte sei sehr nett gewesen, so Claudia K., zwei weitere aber hätten behauptet, gegen den Türken liege eine Anzeige wegen Gefangenenbefreiung vor. Nein, er habe drei Polizisten tätlich angegriffen, hörte sie später als zweite Version.

Im Polizeipressedienst wiederum tauchte der Vorfall als Autodiebstahl auf: „Bei der Überprüfung eines gestohlenen BMW“, so heißt es dort, hätten Gürkan C. und Bora A. Beamte angegriffen. Der BMW der Autovermietung Reidi am Gesundbrunnen war jedoch überhaupt nicht als gestohlen gemeldet worden, der Türke hatte ihn nachweislich von Freitag bis Montag früh gemietet und 199,92 DM dafür bezahlt. „Dazu können wir nichts weiter sagen“, so die Polizeipressestelle. Ute Scheub