■ Renten für die Täter – leere Kassen für die Opfer?
: Immer wieder: zweierlei Maß

Ein Beitrag für das Fernsehmagazin Panorama bringt etwas ins öffentliche Bewußtsein, was sich als Erblast durch Jahrzehnte der bundesrepublikanischen „Vergangenheitsbewältigung“ zieht: wie gut es nach 1945 die NS-Täter hatten, wie schäbig oft ihre Opfer behandelt wurden. Ehemalige lettische Legionäre der Waffen-SS erhalten nun Kriegsopferrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Die Bundesrepublik hat es nie gekümmert, daß das Nürnberger Tribunal die Waffen-SS als verbrecherische Organisation eingestuft hat. 1959 hat das für den Versorgungsbereich höchste deutsche Gericht ausdrücklich in einem Urteil bestätigt, daß Mitglieder der Waffen-SS nicht von Versorgungsansprüchen nach dem BVG auszuschließen seien. Die Tätergeneration hat von Anfang an dafür gesorgt, daß es keine politischen Ausschlüsse von diesem Gesetz gibt. Mit einer Ausnahme: bis 1991 wurden Deserteure und Kriegsdienstverweigerer von allen Leistungen ferngehalten.

Umgekehrt haben die Nachkriegsjuristen keine Mühe gescheut, die Opfer des NS-System von gesetzlichen Leistungen auszuschließen: im Gegensatz zum BVG hatte das Bundesentschädigungsgesetz (BEG) enge Antragsfristen. Was man beim BVG vergeblich sucht, für NS-Opfer wurde es installiert. Man durfte grundsätzlich nicht „unwürdig“ sein, wenn man eine Entschädigung erhalten wollte. „Unwürdig“ war, wer sich nach 1945 gegen die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ gewandt hat oder – etwa als Landstreicher – nach 1945 verurteilt worden ist.

Während die Mitglieder der Waffen-SS gesetzliche BVG-Leistungen erhalten, sehen die lettischen NS- Verfolgten ebenso wie ihre Leidensgenossen in anderen osteuropäischen Staaten bisher keinen Pfennig. In das BEG nahm man nämlich damals die „Diplomatenklausel“ auf, wonach keine Leistungen in Staaten zu zahlen seien, mit denen die BRD zu dieser Zeit keine politischen Beziehungen hatte.

Was ist zu tun? Das BVG muß unverzüglich so geändert werden, daß bei Vorliegen einer begründeten Vermutung die Behörden verpflichtet sind, die NS- Vergangenheit von Antragstellern zu überprüfen. Mitglieder der Waffen-SS – natürlich nicht nur ausländische – sind im Grundsatz von Versorgungsleistungen nach dem BVG auszuschließen – so, wie Mitglieder der NSDAP von Leistungen nach dem BEG ausgeschlossen sind. Umgekehrt müssen endlich für die bislang ausgegrenzten NS-Opfer der früheren „Ostblockstaaten“ Entschädigungsleistungen gezahlt werden, die von der Höhe her ihren Namen auch verdienen. Bekanntlich erreichen die an Polen gezahlten Summen im Durchschnitt den „Entschädigungsbetrag“ von einmalig (!) 900 DM. Günter Saathoff

Der Verfasser ist wiss. Mitarbeiter der Bundestagsgruppe Bündnis 90/Die Grünen und seit Jahren wissenschaftlich und politisch für die Entschädigung von NS-Opfern tätig.